Wie Sie merken, merken Sie nichts
Das neue „Active Ride“ im Härtetest: Wie gut funktioniert das aktive Fahrwerk auf zerklüfteten Bündner Bergstrassen?
„Doch heute scheinen die mahnenden Hindernisse flacher zu sein als sonst.“
„Active Ride“ im Alltagstest in Davos
Manchmal ist das Gute auf den ersten Blick kaum wahrnehmbar – weil es eben so gut ist. Wenn beispielsweise komplexe Technologie perfekt funktioniert, ist es fast, als wäre sie nicht da. Weil sie sich eben harmonisch ins Ganze integriert.
Beispiel gefällig? Die Tobelmühlestrasse, die auf die Promenade in Davos führt. Zwei massive Temposchwellen machen unmissverständlich klar, dass hier ein Geschwindigkeitslimit herrscht, da Fussgänger die Strasse überqueren und nicht einsehbare Einfahrten in die Strasse münden. Die Fahrt über diese Temposchwellen verursacht, auch bei angepasster Geschwindigkeit, ein Kopfnicken der Autoinsassen, wenn die Achsen auf die Hürden hinauf- und wieder herabrollen. Normalerweise. Doch heute scheinen die mahnenden Hindernisse flacher zu sein als sonst. Sie sind spürbar, doch der Ruck nach oben wie auch das Eintauchen zurück auf die Strasse sind deutlich weniger spürbar. An den Schwellen wurde allerdings nichts geändert. Die Revolution findet sich unter dem Blech der jüngsten Panamera-Generation. Sie heisst „Active Ride“.
Abgenickt
Was dahintersteckt? Ausgeklügelte, perfekt funktionierende Technologie: Während Dämpfer und Federn bei einem herkömmlichen Fahrwerkssystem passiv auf die Einflüsse der Strasse reagieren, greift das neue „Active Ride“, wie der Name verspricht, aktiv ins Geschehen ein. Das System besteht pro Rad aus einer Einkammer-Luftfederung und einem in Druck- und Zugstufe regelbaren Dämpfer. Dieser ist jeweils mit einer elektrisch über Hochvolt angetriebenen Hydraulikpumpe verbunden, weshalb das System nur in den Plug-in-Hybrid-Varianten des Panamera und im elektrischen Taycan zur Wahl steht.
Durch die Hydraulik fahren die Dämpfer aktiv ein oder aus. Sie überlagern damit die Bewegung der Luftfederung. Die Vorderräder bewegen sich also aktiv nach oben, um den typischen „Ruck nach oben“ beim Befahren einer Temposchwelle zu neutralisieren. Beim Abfahren von der Schwelle schnellen die Räder ebenso aktiv nach unten, damit die Karosserie nicht eintaucht. So hält sich die Karosserie stets waagerecht zur Strassenoberfläche – das typische Kopfnicken bleibt aus.
„Active Ride“ vertraut auf zahlreiche Sensoren, welche die Beschleunigung der Räder und des Aufbaus sowie die Karosserie-Federbewegungen erfassen. Eine Kamera ist nicht involviert, sodass das System bei allen Sicht-, Wetter- und Strassenbedingungen funktioniert.
Abgefedert
In der Stadt bringt die aktive Fahrwerkstechnik also deutlich mehr Komfort. Der Panamera will jedoch Komfort und Dynamik vereinen, so das Versprechen von Porsche. Um diesem Ideal auf den Zahn zu fühlen, bietet der Albulapass beste Voraussetzungen. Enge und langgezogene Kurven wechseln sich ab. Die zahlreichen Richtungswechsel und Kurvenkombinationen fordern die Sportwagen-Limousine heraus. Schon auf den ersten Metern sorgt die Hinterachslenkung für viel Agilität. Um den Effekt von „Active Ride“ zu verstehen, sind allerdings ein paar Kurven mehr nötig. Eben weil das System so selbstverständlich funktioniert, dass es kaum spürbar ist und das Erlebnis im positiven Sinne überraschend unspektakulär macht. Der Effekt ist bei genauer Betrachtung dramatisch: Wankbewegungen und Seitenneigung in Kurven sind nicht festzustellen. Diese unterdrückt der Panamera mit „Active Ride“ direkt über die aktiven Dämpfer. Ein konventioneller Stabilisator, der die Räder einer Achse gegeneinander abstützt, entfällt. So bewahrt „Active Ride“ den Federungskomfort, ohne die Kurvenstabilität zu beeinträchtigen. Ganz im Gegenteil: Der Komfort lässt sich sogar noch steigern.
Ausbalanciert
Mit den Funktionen „Aktive Kurvenlage“ und „Beschleunigungs- und Bremskomfort“ reduziert „Active Ride“ die auf die Passagiere wirkenden Kräfte. In Kurven lehnt sich die Sportlimousine leicht zur Innenseite, beim Beschleunigen hebt sich das Heck an und selbst bei einer Vollbremsung zeigt die Front leicht nach oben. Gerade beim Bremsen sorgt dies für noch mehr Sicherheit und ein noch stabileres Fahrgefühl. All diese Bewegungen sind so fein dosiert und perfekt getimt, dass wir sie nicht aktiv wahrnehmen – sondern nur ihren Effekt: Auch bei schneller Kurvenfahrt oder starkem Bremsen sitzt es sich in dem fünftürigen Sportwagen äusserst entspannt. Und auf Wunsch unterstützt die Technik nicht nur während der Fahrt: Wenn die Tür sich öffnet, hebt sich die Karosserie innert Augenblicken an und erleichtert Ein- und Ausstieg. Beim Schliessen der Tür senkt sie sich dann wieder ab – um die Optik im Stand nicht zu beeinträchtigen.
Ausgebügelt
Gleichmässige und vorhersehbare Bewegungen gleicht das aktive Fahrwerk also nahezu perfekt aus. Doch die Königsdisziplin für Federn und Dämpfer sind Strecken, auf denen es unübersichtlich wird. Strecken wie die Pro Mulegn zwischen Tiefencastel und Surava. Der winterliche Frost sprengt alljährlich den Asphalt auf, die starke Erdrutsch-Aktivität deformiert die Strasse. So entstehen zahlreiche Kuppen, Senken, Unebenheiten und Risse. Der perfekte Spot für die letzte und härteste Prüfung in unserem Test des aktiven Fahrwerkes. Und tatsächlich: Wie ein fliegender Teppich nimmt selbst der neue Panamera mit „Active Ride“ diese Strapazen nicht hin. Allerdings bewusst nicht. Schliesslich ist es am Lenkrad eines Porsche immer wichtig zu spüren, auf welchem Untergrund er unterwegs ist. Aber: Grobe Schläge, ungemütliches Taumeln oder böse Nickbewegungen kuriert die Technik auch hier souverän aus. Der geschundene Strassenabschnitt fühlt sich an, als wäre er mit einer frischen Schicht Asphalt überzogen.
Die einzelnen Räder agieren unabhängig voneinander und stellen sich individuell auf jede Unebenheit ein. So bleibt der Aufbau auch hier zu jeder Zeit waagerecht zur Strasse, während die Räder einen veritablen Stepptanz hinlegen und sich dem buckeligen Strassenverlauf agil und effizient anschmiegen. Von dieser harten Arbeit, die unter dem Auto verrichtet wird, spüren wir im Innenraum so gut wie nichts. Die Sportlimousine gleitet unerschütterlich dahin, als wäre dies selbst auf einer so schlechten Strasse selbstverständlich. Manchmal liegt die Genialität eben genau darin, dass man sie weder sieht noch spürt.
Verbrauchsangaben
911 Carrera GTS
-
11,0 – 10,5 l/100 km
-
251 – 239 g/km
-
G Klasse
-
G Klasse
Macan 4 Electric
-
21,1 – 17,9 kWh/100 km
-
0 g/km
-
A Klasse
Macan Turbo Electric
-
20,7 – 18,9 kWh/100 km
-
0 g/km
-
A Klasse
Panamera Turbo E-Hybrid
-
1,7 – 1,2 l/100 km
-
11,7 – 10,5 l/100 km
-
29,9 – 27,6 kWh/100 km
-
39 – 27 g/km
-
B Klasse
-
B Klasse
-
G Klasse
Taycan Turbo S (2023)
-
23,4 – 22,0 kWh/100 km
-
0 g/km
-
A Klasse