„Träume sind unser stärkster Antrieb“

Der 29. September 2022 ist ein historischer Tag für den Sportwagenbauer aus Zuffenhausen: Porsche geht an die Börse. Im Christophorus-Interview geben Vorstandsvorsitzender Oliver Blume und Finanzvorstand Lutz Meschke Einblicke in die Zukunft der Marke.

   

911, 914, 917 – Ziffernfolgen, die untrennbar mit Ikonen aus dem Hause Porsche verbunden sind. Die 916, gebaut in nur elf Exemplaren, war bislang nur Eingeweihten bekannt. Jetzt steht sie für das jüngste Erfolgsmodell des Stuttgarter Unternehmens. 

Denn um 9.16 Uhr erscheint am 29. September 2022 die Aktie der Porsche AG auf der Anzeigetafel im Handelssaal der Deutschen Börse in Frankfurt. „Wir fügen der einzigartigen Geschichte von Porsche ein neues Kapitel hinzu“, würdigt Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG, diesen historischen Moment in seiner Rede. Er spricht den mehr als 37.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens seinen Dank aus. Dann gibt ein Börsenhändler, den Regeln einer Neuemission folgend, den Einstandspreis der Aktie mit dem Börsenkürzel P911 bekannt. Auf dem Parkett brandet spontaner Applaus auf.

Es ist der Beginn einer neuen Ära für die Porsche AG. Der
Christophorus hatte die Gelegenheit, mit Oliver Blume und Lutz Meschke, stellvertretendem Vorstandsvorsitzenden und Vorstand Finanzen und IT, ausführlich über die Gründe und Hintergründe des Börsenganges zu sprechen.
 

Herr Blume, Herr Meschke, Sie haben Porsche gerade erfolgreich an die Börse gebracht. Wie fühlt sich das an?

Blume: Porsche ist aus einem Traum entstanden – aus dem Traum von Ferry Porsche. Die Träume unserer Kunden zu erfüllen, ist seit jeher unser Antrieb. Und nun haben wir uns selbst einen unserer größten Träume erfüllt. Das ist ein historischer Moment und einer der größten Meilensteine der Geschichte unseres Unternehmens. Und wir sind alle sehr stolz auf das, was wir als Porsche-Familie gemeinsam geschafft haben.

Welcher Moment hat Sie besonders bewegt?

Blume: Hinter dieser Leistung steckt eine starke Mannschaft, die über viele Jahre hinweg auf diesen Schritt hingearbeitet hat. Es war immer wieder bewegend zu sehen, wie die Kolleginnen und Kollegen sich gemeinsam jeden Tag aufs Neue ins Zeug gelegt haben. Dann den Porsche-Schriftzug auf der Anzeigetafel an der Frankfurter Börse zu sehen und stellvertretend für die ganze Mannschaft die Glocke zu läuten, war sozusagen die Krönung und natürlich auch ein toller Moment. So ein Projekt erlebt man nur einmal im Leben.

Warum war gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für Porsche, an die Börse zu gehen? 

Meschke: Wir haben Porsche über die vergangenen Jahre hinweg sehr gut aufgestellt und eine sehr solide Basis geschaffen – mit klarer Strategie, fantastischen Produkten und Technologien und vor allem auch einer herausragenden Performance-Kultur. Wir haben gezeigt, dass wir auch unter anspruchsvollen Rahmenbedingungen erfolgreich sein können. Zugleich ist unser Unternehmen kerngesund. Der Auftragsbestand ist auf Rekordniveau. 2021 haben wir ein operatives Ergebnis von über fünf Milliarden Euro mit einer Rendite von 16 Prozent erzielt. Der Börsengang bringt zusätzliche Spielräume, die Transformation zu gestalten. Porsche hat dadurch seine unternehmerische Autonomie zurückgewonnen.

Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit dem Volkswagen Konzern vorstellen? Welche Rolle wird Porsche künftig dabei ausfüllen?

Blume: Beide Seiten sollen auch in Zukunft von Synergien profitieren – im Einkauf, bei Komponenten, Technologien und Fabriken. In dieser Hinsicht bringt die Doppelrolle als Vorstandsvorsitzender von Porsche und Volkswagen erhebliche Vorteile. Wir sehen den Börsengang als Win-win-Situation. Denn letztlich haben beide Seiten das gleiche Interesse: eine nachhaltige, wertschaffende Entwicklung. Der Volkswagen Konzern wird von Dividenden profitieren, die dann in die Transformation investiert werden können.

Sie beide betonen auch immer wieder den Teamgedanken. Wie leben Sie das bei Porsche – und wie soll diese Kultur künftig auch bei Volkswagen noch stärker verankert werden?

Meschke: Wer auf Dauer erfolgreich sein will, muss als Mannschaft agieren. Zusammenhalt und Wertschätzung sind wichtig. Wir führen Porsche wie eine Sportmannschaft. Wir sind ein Teil davon und sitzen nicht auf der Tribüne. Die Aufstellung und die Taktik geben wir vor, aber wir lassen jeder und jedem genügend Freiraum, die eigenen Stärken voll auszuspielen. Wir denken immer in Chancen. Auf Erfolgen bauen wir auf, aus Niederlagen lernen wir. Und wir als Vorstand haben den Anspruch, auch selbst immer ganz dicht am Geschehen zu sein – sozusagen als Spielertrainer.

Blume: Diesen Teamgedanken weiter auszubauen, ist auch bei Volkswagen ein wesentlicher Punkt. Wenn alle zusammenhalten und sich für ein Ziel starkmachen, können wir gemeinsam alles erreichen. Entscheidend ist das Miteinander. Volkswagen hat eine hoch qualifizierte Mannschaft. Wir können dort große Kraft entfalten.

„Wir werden das Erbe der Marke bewahren.“

Oliver Blume

Die Einzigartigkeit der Marke wurde im Zuge des Börsenganges sehr stark betont. An welchen konkreten Punkten lässt sie sich festmachen?

Meschke: Porsche ist eine Ikone mit einem einzigartigen Erbe – und heute eine der wertvollsten Luxusmarken weltweit. Motorsport ist ein wichtiger Teil unserer DNA, ebenso die unverkennbare Designphilosophie. All dem bleiben wir kompromisslos treu. Das ist es, was die Menschen überall auf der Welt an Porsche fasziniert. Der neue 911 Sport Classic ist ein gutes Beispiel: die Tradition unserer Sportwagenikone, gepaart mit moderner Technologie, dazu Spitzen-Performance und das Porsche-typische, unvergleichliche Fahrerlebnis.

Welche Rolle spielt dabei die Porsche-Heritage, auch im Hinblick auf die Transformation im gesamten Automobilbereich?

Blume: Wir sehen in die Zukunft, aber vergessen nie, woher wir kommen. Es geht ja bei Porsche stets um mehr als um ein Auto. Es geht auch darum, Teil einer weltweiten Gemeinschaft zu sein. Viele unserer Fans sind uns seit Jahrzehnten verbunden. Das macht uns sehr stolz, und wir empfinden unseren Kunden und Fans gegenüber auch eine Verpflichtung, das Erbe der Marke Porsche zu bewahren.

Meschke: Das gilt natürlich auch im Hinblick auf die Transformation der Automobilbranche. Mit dem Taycan haben wir gezeigt, wie Elektromobilität made by Porsche aussieht. Er ist zu 100 Prozent elektrisch und zu 100 Prozent Porsche – und sehr erfolgreich.

Was sind Ihre wichtigsten strategischen Ziele für die nächste Zeit?

Blume: Wir wollen natürlich den Wandel zur Elektromobilität weiter vorantreiben. Der Hochlauf kommt bei Porsche so entschieden wie bei wenigen anderen. Wir streben an, im Jahr 2030 mehr als 80 Prozent unserer Fahrzeuge vollelektrisch auszuliefern. Entsprechend sieht unsere Produktstrategie aus. Der elektrische Macan steht bereits in den Startlöchern und soll 2024 zu unseren Kunden kommen. Außerdem planen wir vollelektrische Versionen des 718 sowie einen neuen vollelektrischen SUV in der Luxusklasse.

Meschke: Einher geht das alles mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie: Sie ist ökologisch, sozial und wirtschaftlich. Hier arbeiten wir daran, im Jahr 2030 über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg bilanziell CO₂-neutral zu sein. In unserem Stammwerk in Stuttgart-Zuffenhausen arbeiten wir bereits seit 2020 bilanziell CO₂-neutral, im Werk in Leipzig und im Entwicklungszentrum Weissach seit 2021.

„Wer erfolgreich sein will, muss als Mannschaft agieren.“

Lutz Meschke

Porsche steht für modernen Luxus. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff genau?

Blume: Die Welt verändert sich – und mit ihr auch die Vorstellung von Luxus und die Ansprüche der Kunden. Porsche ist in diesem Segment positioniert und produziert mittlerweile in so großen Stückzahlen, dass die Erträge entsprechend hoch sind. In der weltweit stark wachsenden Gruppe der sogenannten High Net Worth Individuals gewinnt zum Beispiel das Thema Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung. Ebenfalls immer wichtiger werden Individualisierung und Personalisierung und ganz besonders auch der Erlebnischarakter, den Kunden mit einer Marke verbinden. Porsche bietet all das. 

Wo sehen Sie das größte Wachstumspotenzial?

Meschke: Wir gehen davon aus, dass die Gruppe der High Net Worth Individuals bis 2026 auf mehr als 100 Millionen Menschen weltweit wachsen wird – und dass sie jünger und weiblicher werden wird. Auf diese neue Kundengruppe gehen wir sehr gezielt zu. Selbstverständlich haben wir weiterhin die Bedürfnisse unserer bestehenden treuen Kunden im Blick. Zudem profitieren wir von der Aufstellung unseres Produktportfolios. Wir erwarten, dass Sportwagen der Luxusklasse in den kommenden Jahren ebenso Wachstumstreiber sein werden wie SUVs. Und natürlich sehen wir großes Potenzial im Wandel hin zur Elektromobilität.

Porsche will darüber hinaus auf dem Wachstumspfad auch neue Wege beschreiten. Stichwort: 360° Customer Experience. Was dürfen Kunden und Fans der Marke hier erwarten?

Blume: Wir wollen unvergessliche Momente schaffen. Wer einen Porsche kauft, bekommt nicht nur ein Auto. Er oder sie wird Teil der Porsche-Welt mit einer großen Bandbreite an Möglichkeiten, die Marke zu erleben. Dazu gehört eine Vielzahl von digitalen Angeboten ebenso wie unser globales Händlernetz und unser neues Destination-Porsche-Konzept, das wir planen, bis 2030 an mehr als 600 Standorten auszurollen, – oder auch unsere Experience Center mit unvergesslichen Fahrerlebnissen. Und nicht zuletzt die Porsche Exclusive Manufaktur, wo wir es mit Ferry Porsche halten: Wer das Auto, von dem er träumt, nicht findet, kann es dort ganz individuell nach seinen Wünschen bauen lassen. Dort machen wir die exklusivsten Träume wahr – bis ins letzte Detail.


In Frankfurt läuten Oliver Blume und Lutz Meschke zum Abschluss die Börsenglocke: als Zeichen, dass der Handel mit der Porsche-Aktie nun eröffnet ist. Es ist auch ein Zeichen des Aufbruchs für das Unternehmen, seine Mitarbeiter und die Anteilseigner. Wieder gibt es Standing Ovations der anwesenden Gäste. Es ist 9.17 Uhr, als der letzte Glockenschlag erklingt. Die Erfolgsgeschichte geht weiter. 

Thomas Ammann
Thomas Ammann
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