Eine herzlich nette Familie

Zwei Generationen, eine Passion: Besuch bei den Ingrams und ihrer Porsche-Kollektion in North Carolina. Ein Gespräch über die Leidenschaft für die Marke – und das Schlimmste, was einem Sammler widerfahren kann.

   


Es gibt Orte, von denen Magie ausgeht. Es gibt Orte, die ein Stück Vergangenheit in sich tragen. Und es gibt Orte, die wie ein Versprechen auf die Zukunft wirken. So, als ob ihre große Zeit erst noch kommen wird. Wer das Glück hat, Zugang zur Sammlung der Familie Ingram zu bekommen, spürt etwas von allem: Magie, Vergangenheit und Zukunft. Robert „Bob“ Ingram und seine Frau Jeanie haben seit dem Ende der 1990er-Jahre eine Kollektion mit rund 80 erlesenen Porsche-Modellen zusammengetragen, die einen faszinierenden Querschnitt der mehr als 70 Jahre langen Geschichte der Sportwagenmarke darstellt. Die Leidenschaft für Porsche teilt das Ehepaar aus Durham im US-Bundesstaat North Carolina mit den Söhnen Rory und Cam. Es ist eine Liebesbeziehung über die Generationen hinweg.

Liebesbeziehung:

Liebesbeziehung:

Die Familie aus North Carolina hütet eine umfangreiche Porsche-Sammlung. Gefahren wird, wann immer es geht. Die Ingrams laden sich gerne Gäste ein – es ist ihnen wichtig, ihre Leidenschaft mit anderen zu teilen. „Die Geschichten hinter den Autos sind das Spannendste“, betont Cam. Schmuckstücke von links nach rechts: die Porsche 356 Coupé, 906 Carrera 6, 356 A Coupé, 356 B Carrera GTL Abarth, 356 America Roadster, 356 B Roadster.

 Die Magie

Ein Rundgang durch die Sammlung gleicht einer Zeitreise. Beginnend bei einem der frühen Coupés aus der Produktion im österreichischen Gmünd bis zu jüngsten Exemplaren wie dem Porsche 911 Speedster der Generation 991 von 2019. „Wir sind unheimlich stolz und fühlen uns gleichzeitig sehr geehrt“, sagt Bob Ingram, „dass wir uns um diese Autos kümmern dürfen.“ Besonders bei den älteren Modellen, erzählt der 78-Jährige mit leuchtenden Augen, habe er immer die früheren Besitzer vor Augen, ihren Stolz und ihre Begeisterung. „In diesem Geiste wollen wir sie für die Zukunft bewahren.“ Das sei man den Menschen und den Autos schuldig. „Es gibt weltweit kein anderes Unternehmen, das auf eine so treue Fangemeinde bauen kann“, meint er, das fasziniere ihn an Porsche. Sohn Cam ergänzt: „Die Geschichten hinter den Autos sind das Spannendste.“ Das könne die berühmte Rennhistorie eines bestimmten Modells sein oder die bewegende Biografie des Vorbesitzers. „Durch unsere Sammlung werden wir Teil der Zeitgeschichte, der Autos und der Menschen.“

Sie soll lebendig sein, diese Sammlung, und das bedeutet zweierlei: Zum einen werden die Autos regelmäßig bewegt, sei es bei Familienausfahrten am Wochenende oder bei Clubtreffen und Rennveranstaltungen. „Wir legen Wert darauf, dass unsere Sammlungsstücke fahrbereit sind“, sagt Bob Ingram. Alle, selbst Rennwagen wie der Porsche 906 Carrera 6 aus den 1960er-Jahren, seien für den Straßenverkehr zugelassen – mit einer Ausnahme: Die exklusive Neuauflage des Porsche 935, von dem nur 77 Exemplare gebaut wurden, darf nur bei Clubsportveranstaltungen oder privaten Rennstreckentrainings bewegt werden. Zum anderen lebt diese Sammlung als Stätte für Wohltätigkeitsveranstaltungen. Die Ingrams freuen sich, ihre Leidenschaft nicht nur für sich alleine auszuleben, sondern mit anderen zu teilen. „Es ging uns darum“, erklärt Jeanie Ingram, „einen Ort zu schaffen, an dem man sich wohlfühlen kann, mit Kunst, einer schönen Einrichtung und vielen Erinnerungen.“

Wiederaufbau:

Wiederaufbau:

Der Porsche 356 B Carrera GTL Abarth fuhr einst erfolgreich in Schweden. 2019 wurde diese Rarität bei einer Explosion beinahe vollständig zerstört.
„Wir fühlen uns geehrt, dass wir uns um diese Autos kümmern dürfen.“ Bob Ingram

Die Herkunft

Wann immer Bob Ingram mit einem seiner vielen Porsche unterwegs ist, fühlt er sich zurückversetzt ins Jahr 1971, damals, als er zum ersten Mal im Porsche 911 S eines Bekannten mitfahren durfte. Ein Erlebnis, das sich ihm tief einprägte: „Als er startete, begann eine Symphonie aus mechanischen Geräuschen“, erzählt Ingram. Nach einer Dreiviertelstunde durfte der junge Bob selbst ans Steuer. „Ich war total nervös, habe den Motor erstmal abgewürgt“, erinnert er sich schmunzelnd. „Aber das Raumgefühl, der Duft und der Sound waren einmalig.“ Als er später nach Hause kam, habe er zu Jeanie gesagt: „Eines Tages fahre ich einen Porsche.“

Das sollte noch dauern. Andere Dinge waren für die junge Familie drängender. Bob Ingram stammt aus Charleston, einer Provinzstadt in Illinois, aus „kleinen Verhältnissen“, wie er heute sagt. Sein erstes Geld verdiente er im Tante-Emma-Laden seiner alleinerziehenden Mutter, der zwei Blocks entfernt von der Schule lag. „Das Geld habe ich gespart, um mir dann den heißesten Schlitten im ganzen Ort zu kaufen, als ich endlich den Führerschein hatte“, erzählt er lächelnd. Er sei schon immer ein car guy – also: autobegeistert – gewesen, der zu den Rennen nach Indianapolis oder Sebring fuhr und sich auch selbst gelegentlich Beschleunigungsrennen mit den Freunden lieferte.

Beruflich ging es aufwärts: Bob Ingram begann nach dem Studium als Pharmareferent eine steile Karriere, die ihn in die höchsten Sphären der Branche führen sollte. Viele Jahre stand er als CEO an der Spitze eines der größten Pharmakonzerne der Welt, mit allen Konsequenzen, die das Leben eines Spitzenmanagers mit sich bringt. „Wir sind in der Zeit neunzehnmal umgezogen“, erzählt er. „Noch immer danke ich meiner Frau und meinen Söhnen, dass sie das mitgemacht haben“. Ehefrau Jeanie blickt heute mit Gelassenheit zurück: „Es war eine wilde Zeit. Aber der Zusammenhalt der Familie war immer das Wichtigste.“

Nach seiner Pensionierung zog sich Bob Ingram keineswegs in den Ruhestand zurück. Er ist bis heute Partner in einer Investmentfirma im Pharmabereich. Aber er konnte sich endlich mehr Zeit für seine Leidenschaft nehmen: Porsche. Zu einem dunkelblauen Porsche 911 Carrera Cabriolet (Generation 964) kam bald ein 911 Carrera Coupé (Generation 993) in Amethystmetallic, zu dem sich Ende der 1990er-Jahre noch ein 911 Turbo S Coupé (Generation 993) gesellte. „Der Rest ist Geschichte“, sagt Ingram senior strahlend. „Das Schönste ist nach wie vor, dass ich die Leidenschaft mit der ganzen Familie teilen kann.“ Und das auch im übertragenen Sinne: „Wir haben als Familie sehr viele Freunde innerhalb der wundervollen Fangemeinde gewonnen, weltweit.“

Die nächste Ingram-Generation setzt eigene Akzente. Sohn Rory managt die Sammlung und rief die Ingram Driving Experience ins Leben, eine Gruppe Motorsportbegeisterter, die sich zu privaten Rennveranstaltungen trifft und dazu auch Freunde wie den Ex-Werksfahrer Mark Webber einlädt. Auch der jüngere Sohn Cam widmet sich automobilen Raritäten.

Generationenmodell:

Generationenmodell:

Generationenmodell: Gemeinsame Ausfahrten an Wochenenden bedeuten der Familie viel. Die Sammlung schweißt zusammen.
„Durch unsere Sammlung werden wir Teil der Zeitgeschichte, der Autos und der Menschen.“ Cam Ingram

Die Katastrophe

Im April 2019 erlebte die Familie einen Alptraum. Eine Gasleitung explodierte vor der Lagerhalle, in der sich große Teile der Sammlung befanden. Zwei Menschen starben, das Nachbargebäude wurde völlig zerstört und auch die Halle der Ingrams war schwer in Mitleidenschaft gezogen. Das Dach brach ein und beschädigte etwa die Hälfte der kostbaren Stücke. „Es war der traurigste Tag unseres Lebens“, erinnert sich Bob Ingram. „Unsere Gedanken sind nach wie vor bei den Menschen, die verletzt wurden, und den Familien, die Angehörige verloren haben.“

Der Aufbau

Die Bilanz nach den ersten Aufräumarbeiten: Vier Fahrzeuge waren so stark zerstört, dass sie unwiederbringlich verloren schienen, darunter auch einer der extrem seltenen Porsche 356 B Carrera GTL Abarth. Dieses besondere Exemplar stammt aus Schweden. Fahrzeuge dieses Typs waren einst erfolgreich bei legendären Rennen wie der Targa Florio oder den 24 Stunden von Le Mans. Der Wert allein dieser Preziose geht in die Millionen. Doch was die Familie viel mehr bedrückte, war ein Termin. Der Abarth war für den Concours d’Elegance in Pebble Beach vorgesehen, einen der weltweit renommiertesten Wettbewerbe für klassische Fahrzeuge. Knappe vier Monate waren es noch bis zu dem Topevent, bei dem man nur auf Einladung teilnehmen darf. „Das war für uns eine große Ehre“, betont Bob Ingram. Als er vor dem schwer brandbeschädigten Wrack stand, habe er Cam angeschaut und gefragt, „ob wir das in der knappen Zeit schaffen“. „Und ich musste ihm gestehen, dass ich es nicht wusste“, ergänzt Cam. „Das war hart für uns alle.“

Die folgenden Wochen hätten er und sein Team mit 16-Stunden-Tagen und mehr praktisch in der Werkstatt gelebt, um den Wagen von Grund auf neu aufzubauen. „Unser Glück war, dass er trotz seiner intensiven Renngeschichte niemals schwere Beschädigungen durch Unfälle oder Ähnliches gehabt hat. Die Aluminiumkarosserie war noch in exzellentem Zustand, ebenso wie das Chassis“, berichtet Cam Ingram. „Nur weil er nicht die Schäden aufwies, die für Rennwagen seines Alters typisch sind, konnten wir in vier Monaten schaffen, was sonst Jahre dauert.“

Gerade noch rechtzeitig für den perfekten Auftritt in Pebble Beach. „Es war ein sehr emotionaler Moment“, bekennt Bob Ingram. „Die ganze Erfahrung hat uns als Familie noch enger zusammengeschweißt.“ Von seinem Vater habe er gelernt, sich zu fragen, was seine Ziele seien, und was er bereit wäre, dafür zu tun, sagt Cam. Hier sei das Ziel klar gewesen: Die Magie der Sammlung zu bewahren – für die Familie, für die Zukunft, für die Liebe zu Porsche.

Der heroische Einsatz wurde beim Concours d‘Elegance belohnt mit einem Klassensieg für den perfekt restaurierten 356 B Carrera GTL Abarth. Es sei „fast schon surreal“ gewesen, erzählt Cam Ingram, als er mit seinem Vater im Siegerwagen über den Rasen von Pebble Beach gefahren sei, um den Ehrenpokal in Empfang zu nehmen. „Dieser Wille, nicht aufzugeben, ist absolut Porsche-typisch, das kommt von der Marke“, resümiert Bob Ingram. „Man gibt einfach nicht auf, solange man noch eine Chance hat.“

Und sicher fuhr die Erinnerung an den 911 S von 1971 wieder mit.

Thomas Ammann
Thomas Ammann
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