Angekommen
Als Kind träumte sich Paul Casey in ein Porsche-Poster. Als Student erfüllte er sich einen amerikanischen Traum. Seine innere Mitte fand der Golfprofi als Familienvater.
Verbrauchsangaben
Porsche 911 GT3 RS
Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,2 l/100 km
CO2-Emissionen kombiniert: 303 g/km
Porsche 718 Cayman GT4
Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,9 – 10,2 l/100 km
CO2-Emissionen kombiniert: 249 – 232 g/km
(Stand 10/2020)
Es fiele nicht auf, wenn Paul Casey an diesem Morgen in der Wüste Arizonas eine Tasse Filterkaffee anböte. Ginge schnell, würde schmecken, alles gut. Umso mehr fällt auf, dass er genau das nicht tut. Der britische Golfprofi bereitet Espresso zu, wie ein guter Chirurg am offenen Herzen operiert: konzentriert, aber unverkrampft. Es ist eine Zeremonie, die mit dieser Liebe zum Detail nur jemand hinbekommt, der angekommen ist – im Leben und bei sich. Der sich Zeit nimmt für das, was er eben will.
Casey hat extra frische Bohnen bei seinem Kumpel Nico besorgt, Porsche-Aficionado und Besitzer des Cafés Fourtillfour. In Ziffern liest sich die Uhrzeit amerikanisch 3.56 – ein subtiler Hinweis auf das legendäre Porsche-Modell, das einladend vor der Tür parkt. Jetzt überwacht Casey den Mahlvorgang, kontrolliert die Körnung als wäre sie das Grün vor einem Putt. Er füllt exakt 20 Gramm des Kaffees in einen Siebträger, drückt ihn fest, brüht neun Sekunden lang vor und zieht den hölzernen Hebel für 28 Sekunden nach unten. Er stellt die Tasse auf den Tisch und sieht einen erwartungsvoll an, wie ein kleiner Junge seinen Vater ansieht, wenn er ihm sein erstes selbstgemachtes Sandwich präsentiert. Der Spitzensportler lauert auf das genüssliche Nicken des Gastes nach dem ersten Schluck. Es kommt. Casey lächelt. Der Mann wirkt von Kopf bis Fuß zufrieden.
Jetzt aber los zur Spritztour mit seinem Porsche GT3 RS, Generation 991. Vorbei an Kakteen und Gesteinsgebilden und durch Orte, die solch wunderbare Namen wie Paradise Valley tragen. Casey ist als Student vor 25 Jahren nach Arizona gekommen und nie mehr fortgegangen: „Wie wohl viele Teenager wollte ich so weit wie möglich von zu Hause weg, da hörten sich 8.000 Kilometer ganz gut an. Dann habe ich festgestellt, wie schön es hier ist.“ Es stimmt schon: Eine lebhafte Stadt wie Scottsdale mit fantastischen Restaurants und Nachtclubs inmitten der atemraubend schönen Wüste mit spektakulären Wanderwegen und Golfplätzen stellt eine Balance dar, die nur wenige Orte der Welt zu bieten haben.
„Ich mag es, wenn die Fahrt zum Erlebnis wird, wenn ich in einer Kurve ein klein bisschen schneller dran bin als alle anderen“, schwärmt er, nachdem er sein Auto wie auf Schienen durch einen Kreisverkehr gejagt hat. Seine hellblauen Lausbubenaugen strahlen: „Ein Auto sollte Charakter haben, eine Seele. Wie zum Beispiel der Elfer der Generation 996: Der ist wild und widerborstig, doch genau das macht ihn einzigartig. Es gibt Hersteller, die bauen nur ein cooles Modell. Bei Porsche hat die gesamte Palette einen unverwechselbaren Charakter.“
Caseys fast kindliche Begeisterung eskaliert beim Zwischenstopp in der Werkstatt eines weiteren Freundes. Wie ein kleiner Junge im Freizeitpark, der alle Achterbahnen ausprobieren darf, eilt er von Modell zu Modell. Hier steht ein grüner Porsche 968 Turbo S, da glänzt ein historischer Porsche 911 Targa in Schwarz, dort ein silberner Porsche 912 – alle werden gerade gewartet oder restauriert, offenbaren tiefe Einblicke in ihr Innenleben. Eifrig fragt Casey die Mechaniker nach Details. Er ist 43 Jahre alt, hat 19 Profititel gewonnen, dreimal den Ryder Cup, wurde auf Platz drei der Weltrangliste geführt. Und doch wirkt er wie Peter Pan im Nimmerland. Ist das nicht genau das, was wir unseren Kindern beizubringen versuchen? Dass sie möglichst nie zu erwachsen werden, um sich so ehrlich für etwas zu begeistern?
„Ich wollte Rennfahrer werden. Aber Sportarten mit Ball und Stock fielen mir leichter.“ Paul Casey
In Caseys Kinderzimmer in der Kleinstadt Weybridge nahe London hing das Poster eines silbernen Porsche 959. „Ich wollte Rennfahrer werden und habe andauernd Autos und Rennstrecken gezeichnet“, erzählt er, „aber Sportarten mit Ball und Stock fielen mir leichter, ich habe so ziemlich alles ausprobiert.“ Er sei als Kind also eher wie Roger Federer gewesen, der ebenfalls zahlreiche Sportarten versuchte und sich erst spät auf Tennis konzentrierte, und weniger wie Kollege Tiger Woods, dessen unfassliches Golftalent geradewegs zur Profikarriere führte. „Beim Golf gewann ich als Teenager häufiger als in anderen Sportarten. Ich fand es cool, gut zu sein.“
Es war, wenn man so will, sportlicher Darwinismus: Erst verschwand der Rugbyspieler Paul Casey, dann der Rennfahrer, dann der Tennisspieler – bis der Golfspieler übrigblieb. Aus dem Typen, der im Schulbus immer die lässige hinterste Reihe bevölkerte, wurde einer, der ganz vorn beim Fahrer saß – wegen des Platzbedarfs für das Golf-Equipment. Viele Profisportler berichten von Phasen, vom Jugendtraum, der zum Wunsch reift, dann Hoffnung wird, von ersten Erfolgen und schließlich dem Beruf aus Leidenschaft.
Trotz aller Bestätigungen lebt Casey weiterhin alle Aggregatzustände seiner Laufbahn – der drängende Ehrgeiz der Jugend existiert nun aber in einer wohltuenden Balance zur Gelassenheit. „Ich weiß, dass ich dazugehöre. Aber die innerlichen Sprünge in andere Zustände helfen mir, den Biss nicht zu verlieren.“ Er peilt weitere Titel an, doch sind sie nicht mehr so wichtig wie früher. Bedeutsamer sei es, sich auf dem Golfplatz selbst zu besiegen und eine tolle Runde zu spielen. Tatsächlich: Paul Casey genießt die Reise mehr als das Ziel.
„Früher dachte ich, Härte sei erforderlich.“
Seit 20 Jahren ist er nun Golfprofi, und er glaubt, dass er in der ersten Hälfte seiner Karriere nicht gerade zu den beliebtesten Spielern auf der Tour gehörte. „Ich war knallhart zu mir selbst und auch zu anderen. Ich war verbissen und abseits des Platzes auch nicht unbedingt glücklich“, reflektiert er. „Früher dachte ich immer, diese Härte sei erforderlich, um gut zu sein. Vielleicht ging das Athleten wie Michael Jordan oder Lance Armstrong ebenso. Doch irgendwann verstand ich, dass ich genauso gut oder besser sein kann, wenn ich ein netter Kerl bin. Dass Gelassenheit gar nicht bedeutet, in der Leistung nachzulassen.“
Er berichtet von seinem prägenden Schlüsselerlebnis bei den Dutch Open im Jahr 2014. Sein Sohn Lex war gerade zwei Wochen auf der Welt. „Ich spielte nicht gut, und dann wurde mein Kollege Fabrizio Zanotti von einem Ball am Kopf getroffen. Das war ein Schreck.“ Während der Unterbrechung habe er verzweifelt im Clubhaus gesessen und sich gefragt, was er eigentlich hier tue. „Ich dachte: ‚Vergiss es!‘ Ich wollte nur noch heim und suchte schon nach Flügen.“ Erst seine damalige Verlobte Pollyanna, seit 2015 sind die beiden verheiratet, habe ihn zum Bleiben überredet. „Damit war plötzlich der Druck weg. Ich fühlte, auch ein schlechter Schlag ist okay, denn so oder so werde ich anschließend zu meiner Familie fliegen.“
Er gewann das Turnier. Vielleicht ist es Zufall, dass Lex juchzend über die Couch tobt, während der Vater diese Geschichte erzählt. Oder dass seine dreijährige Tochter Astaria gerade wie ein Ausbund von Freiheit in den Swimming Pool springt und dass Pollyanna dem Treiben in diesem Wohlfühlhaus lächelnd zusieht. Vielleicht aber auch nicht. Es ist wieder so ein Balancemoment, eingebettet in Paul Caseys Strahlkraft. Durchdrungen von der entspannten Souveränität eines Menschen, der nichts macht, weil er es muss, sondern weil er es will.
Er will auch weiter über seine Porsche-Leidenschaft sprechen. Von der geballten Kraft seines schwarzen GT3 RS, die er bereits vorgeführt hat. Und davon, dass sein weißer GT3 RS der Generation 997 bald vom Service zurückkommt, während sein dritter GT3 RS der Generation 996 auf den Transport von England in die USA wartet und sein Porsche 718 GT4 bald geliefert wird. Wenn er zurückdenkt an sein Poster im Kinderzimmer, erscheint ihm das alles unglaublich. Casey ist dankbar.
Lex zeichnet derweil in aller Ruhe Star-Wars-Raumschiffe. Das interessiert ihn mehr als das Geplauder über Autos. Meine Güte, was mag aus dem kleinen Knopf werden, wenn auch er sich eines Tages alle seine Träume erfüllt? Darauf einen von Paul Casey gebrühten Espresso. Der ist übrigens wirklich ein Erlebnis.