Allen davongedüst

Porsche Schweiz – Jasin Ferati hat es geschafft: Gleich in seiner Debütsaison im GT3 Cup der Porsche Sprint Challenge Suisse kürte er sich zum Meister. Der Traum, Rennfahrer zu werden, trieb den Youngster schon im Kindesalter an. Die Talentförderung durch den Porsche Motorsport Club Suisse und die Porsche Schweiz AG ebnete ihm den Weg zum Erfolg.

   

Wie sauer der junge Mann gewesen sein muss! Während die Familie auf der Strecke ihre Freude hatte, durfte der kleine Jasin nur zugucken. Wie gerne wäre er mitgefahren auf der Kartbahn – genau davon hatte er doch geträumt! Jedoch: Fünfjährige durften beim Rennen nur zuschauen. Erst als alle das Feld geräumt hatten, schlug seine Stunde. Heimlich schnappte er sich ein Kart und sauste los. Danach war das Staunen gross: Der Schlingel drehte aus dem Nichts die tagesschnellste Runde.

„Danach durfte ich auf der Kartbahn ein Jahr lang umsonst fahren“, lacht Jasin Ferati heute, gut 14 Jahre später. Aus dem Kleinkind ist ein Kerl geworden, schlank und etwas schlaksig, kaum mehr als 60 Kilogramm leicht und mit einer typischen Rennfahrerstatur – durchtrainiert, sehnig, kein Gramm Fett zu viel. Ein ebenso freundlicher wie unaufgeregter Mensch. Sobald er von seiner noch jungen Laufbahn im Motorsport erzählt, wird schnell klar: Für einen 19-Jährigen spricht der Winterthurer mit mazedonischen Wurzeln erstaunlich erwachsen und fokussiert. Hier redet ein junger Sportler, der einen Plan hat. Der es gewohnt ist, dass er Hürden überwinden muss, um seinem Ziel näherzukommen. Wie der Knirps, der einst mit dem Kart allen davondüste.

Jasins Eltern nahmen das Angebot des Bahnbetreibers an, kostenlose Runden fahren zu dürfen. Ab diesem Zeitpunkt jagte der Kleine öfter schnell im Kreis. Sein Talent stand rasch fest. Mit knapp sieben Jahren bestritt Ferati sein erstes echtes Rennen. „Ich holte auf Anhieb den dritten Platz, obwohl mich zuvor ein anderer Fahrer im Training so hart gerammt hatte, dass meine Hand gebrochen war“, erinnert er sich. „Vor lauter Eifer hatte ich das zunächst gar nicht gespürt.“

Immer der freudigste Moment:

Immer der freudigste Moment:

Haben sich siegreiche Rennfahrer aus dem Cockpit geschält, fliegen wie per Naturgesetz die Fäuste in die Luft – beim Nachwuchs genauso wie bei alten Hasen.

Fortan ging Ferati in der gesamten Schweiz an den Start, wenig später standen auch Europameisterschaftsläufe auf dem Programm. 2017 wartete das WM-Finale in Le Mans. „In den ersten drei Qualifyings war ich immer unter die besten Drei gekommen. Im vierten und letzten konnte ich mich von Platz 30 aus zehn Plätze nach vorne kämpfen. Am Ende war ich Zehnter von 330 Fahrern“, blickt Jasin gerne zurück.

Stets an seiner Seite: Vater Dzevad. „Es ist schön, dass er immer dabei war. Auf der anderen Seite hatte meine Mutter dadurch mit unserem Blumenhandel mehr Arbeit“, bekennt der Junior. Er weiss, dass seine bisherige Laufbahn ohne die Unterstützung seiner Eltern und seines Managers Peter Lattmann niemals möglich gewesen wäre. „Ich bin der erste Motorsportler in der Familie. Allerdings mochte mein Vater schon immer schnelle Autos, und meine Mutter ist ein glühender Formel-1-Fan. Darum hat sie auch keine Angst, wenn ich selbst am Steuer sitze“, lacht er, und seine schmalen Augen blitzen noch etwas schmäler. „Sie möchte vor allem, dass meine Rundenzeiten gut sind.“

Kopf an Kopf:

Kopf an Kopf:

Jasin Ferati (links) musste sich bis zur letzten Minute gegen den bärenstarken Biglener Jürg Aeberhard wehren (rechts) – hier beim Auftakt auf dem Red Bull Ring.

2019 folgte eine Art Neustart – und Jasin kam erstmals mit dem Porsche-Motorsport in Kontakt. Er wechselte in die Deutsche Elektro-Kart-Meisterschaft, die vom Stuttgarter Sportwagenhersteller unterstützt wurde. „Am Anfang hatte ich grosse Mühe, denn Bremsen an den Vorderrädern und der Elektroantrieb waren Neuland für mich.“ Jasin bewies Nervenstärke: „Es war schlecht losgegangen, aber ich fuhr bis zum Endlauf noch auf die zweite Position vor, und im letzten Rennen holte ich dann sogar den Titel.“

Der Aufstieg in einen Formel-4-Rennwagen war schnell beschlossen. Neben dem italienischen Championat bestritt der Schweizer 2020 auch einige Rennen in der spanischen F4. Ein Jahr später folgte der Schritt in die umkämpfte Formel-3-Europameisterschaft. Doch das für den Erfolg so bitter notwendige Budget überforderte die Möglichkeiten des Nachwuchstalents. Die Karriere stand am Scheideweg.

Ferati besann sich auf seine Verbindungen zu Porsche und rief kurzerhand in der Motorsportabteilung an. „Ich habe ganz einfach gefragt, welche Möglichkeiten auf dem Weg zum Profi es für mich noch gibt. Geld war eben nicht genügend da.“ Sein Anruf kam zur rechten Zeit: Der Porsche Motorsport Club Suisse und die Porsche Schweiz AG suchten für 2022 noch einen jungen Nachwuchsfahrer, den sie im GT3 Cup der Porsche Sprint Challenge Suisse fördern konnten. Für Ferati öffnete sich buchstäblich eine Tür, nämlich die des 515 PS starken Porsche-Kundensportrennwagens 911 GT3 Cup. Sein Team: der renommierte Schwyzer Rennstall Fach Auto Tech.

„Die leichten Formel-Autos unterscheiden sich sehr vom Cup-Auto“, beschreibt Ferati die neue Herausforderung. „Ich hatte keine Zeit, den Porsche kennenzulernen. Im Training beim Saisonauftakt auf dem Red Bull Ring bin ich ihn zum ersten Mal gefahren. Dinge wie das Hineinbremsen in Kurven zum Beispiel sind völlig anders. Trotzdem lief der Umstieg recht gut, ich hatte mehr Schwierigkeiten erwartet.“

Kopf-Haltung:

Kopf-Haltung:

Ferati liess sich nicht unterkriegen vom Formel-Aus. Sein Wille brachte ihn zu Porsche, so wie er ihn einst als Kind ins Gokart brachte.

Keine Erfahrung, sofort schnell – der 911 GT3 Cup war Jasin Feratis erster GT-Rennwagen.

Auch im GT3 Cup gilt: Die Performance im Rennen resultiert unter anderem aus konzentrierter Vorbereitung. Die Kooperation mit einem Dateningenieur kannte Ferati bereits aus seiner Formel-Zeit, daher fand er zu Fachmann Urs Steiner schnell den nötigen Draht. Neu hingegen war für ihn die Unterstützung durch einen Fahrer-Coach. „Christopher Zöchling macht das klasse – ich liebe die Zusammenarbeit mit ihm“, schwärmt Jasin. „Als Rennsieger betrachtet er die Dinge aus Fahrersicht und kann mich super motivieren. Er sagt mir klipp und klar, was gut ist und was nicht. So ein Debriefing nach einem Training kann schon mal eine Stunde dauern. Ich versuche überall, etwas mitzunehmen, das mich schneller macht.“

Feratis Debütjahr im GT3 Cup begann vielversprechend: Im ersten Sprintrennen in Österreich fuhr er auf Platz zwei, das nächste entschied er bereits für sich. „Leider kam es dabei zu einer Berührung mit meinem Hauptkonkurrenten Jürg Aeberhard“, räumt der Sportwagen-Novize ein. „Aber ich hätte nie damit gerechnet, sofort vorne mitzufahren.“ Das Rennwochenende im französischen Le Castellet stellte ihn weniger zufrieden, da er keine Steigerung gezeigt habe. Dafür lief es im italienischen Franciacorta umso besser: Pole-Position, zwei schnellste Rennrunden und zwei Siege – maximale Punkteausbeute. Doch Aeberhard erwies sich als zäher Brocken und schlug zum Beginn der zweiten Saisonhälfte mit zwei Siegen in Dijon zurück. Auch in Mugello leistete der Routinier starke Gegenwehr. Vor dem Finale in Misano führte der Biglener die Fahrerwertung mit neun Punkten Vorsprung an.

Die Entscheidung fiel mit der letzten Zieldurchfahrt: Ferati fing Aeberhard erst beim Finale in Misano ab.

Die Weichen für einen grossartigen Showdown waren gestellt. Jasin demonstrierte in Misano erneut Nervenstärke und markierte im Qualifying die Bestzeit – der erste Zähler war damit aufgeholt. Beim Start von der Pole-Position aus fiel er kurzzeitig zurück, übernahm aber sofort wieder die Spitze und fuhr seinen fünften Saisonsieg ein, schnellste Runde inklusive. Damit fehlten ihm nur noch zwei Punkte zum Titel. Im zweiten Rennen kam der Junior wieder schlecht weg, reihte sich als Zweiter hinter Aeberhard ein. Doch erneut kämpfte er sich in Führung – und liess sie sich nicht mehr nehmen. Erstes Jahr als Förderfahrer, erster Titel in der Porsche Sprint Challenge Suisse. Aufgabe im wahrsten Sinne des Wortes gemeistert.

Wie geht es für Ferati weiter? Der 19-Jährige hat ein Ziel: Eines Tages will er Porsche-Werksfahrer sein, in der DTM oder auch bei Langstreckenrennen wie den 24 Stunden von Le Mans starten. „Ich möchte so weit kommen wie möglich. Auch um meiner Familie etwas zurückzugeben, die so viel für mich getan hat.“

Klaus-Achim Peitzmeier
Klaus-Achim Peitzmeier

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