Lap Time: 3:14,60

Spa-Francorchamps in den 1970er-Jahren fürchten auch die Mutigsten. Über 14,1 Kilometer windet sich die Strecke durch die rauen Ardennen. Endlose Geraden führen vorbei an Gehöften und durch kühle Waldgebiete. Ultraschnelle Kurven, kaum Leitplanken, dafür Mauern, Gräben und Telegrafenmasten, ausgebesserter Landstraßenasphalt. Wer hier startet, hat die Nacht zuvor schlecht geschlafen. Jo Siffert und Pedro Rodríguez kommen sowieso kaum zur Ruhe. Als gehetzte Berufspendler treten die Konkurrenten am selben Wochenende noch bei einem nicht zur Weltmeisterschaft zählenden Formel-1-Rennen im englischen Silverstone an.

In Spa qualifizieren ihre jeweiligen Teamkollegen, Derek Bell und Jackie Oliver, die mächtigen Porsche 917 KH (Kurzheck) für die Mannschaft von John Wyer. Bell erobert die Poleposition, Oliver den dritten Rang. Den Start übernehmen Siffert und Rodríguez. Es ist die Ouvertüre zu einer gefährlichen Jagd der Besten und eine Fortsetzung ihrer Rivalität, die beider Karrieren prägte. Die Herkunft der Piloten hätte unterschiedlicher kaum sein können: Der Schweizer Siffert hatte sich aus ärmlichen Verhältnissen emporgearbeitet, Rodríguez stammte aus einer mexikanischen Millionärsfamilie.

Beim Start tobt ein Sturmregen. Siffert setzt sich an die Spitze, Rodríguez klebt ihm am Heck. In der zehnten von 71 Runden zieht Rodríguez an Siffert vorbei, distanziert ihn aber keineswegs. Der Mann aus Fribourg lauert im Windschatten – und schreibt Geschichte: In 3:14,60 Minuten fährt er absoluten Rundenrekord mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von sagenhaften 260,842 km/h!

In der zweiten Rennhälfte übernehmen Bell und Oliver. Teamneuling Bell fügt sich der abgesprochenen Anweisung: Erst auf das Zeichen von Teammanager David Yorke dürfe er Oliver überholen. Es wäre eine Leichtigkeit für Bell. Er wartet auf das Zeichen. Die Zuschauer warten, Siffert an den Boxen natürlich auch. Vergebens: Yorkes Signal kommt nie. Das Duo Rodríguez/Oliver darf gewinnen – mit nur vier Zehntelsekunden Vorsprung. Mit eisernen Mienen erdulden Siffert und Bell die Siegerehrung.

Das Tragische: Pedro Rodríguez stirbt neun Wochen später bei einem Sportwagenrennen auf dem Norisring. Jo Siffert verunglückt drei Monate danach tödlich bei einem Formel-1-Rennen in Brands Hatch. Sein Rekord von Spa hat indes Bestand: 50 Jahre später ist diese Rennrunde noch immer die schnellste, die je auf einem Straßen- und Rundkurs gefahren wurde.