Laptime: Dieter Glemser, Targa Florio 1966

Bei der 50. Targa Florio legt Dieter Glemser im strömenden Regen eine grandiose Bestzeit im Porsche 906 Carrera 6 hin.

  


Vier Werks-Porsche 906 Carrera 6 mit je zwei Fahrern plus ein von Porsche unterstützter 906 Carrera 6 des Schweizer Privatrennstalls Scuderia Filipinetti gehen auf die Jagd durch das wilde Madonie-Gebirge. Porsche-Rennleiter Huschke von Hanstein will nichts dem Zufall überlassen.

Deswegen schmeißt der eigenwillige Rennbaron seine Piloten, darunter das Nachwuchstalent Dieter Glemser aus dem schwäbischen Mühlhausen, in der Trainingswoche täglich bereits um 4 Uhr morgens aus dem Bett. „Ich bin bestimmt um die 20 Runden gefahren. Dann wusste ich, wo’s langgeht“, erinnert sich Glemser noch gut ein halbes Jahrhundert später. „Auch wenn das auf der öffentlichen, nicht abgesperrten Landstraße alles andere als ungefährlich war.“

Doch was sie trotz aller Vorbereitungen nicht beeinflussen konnten, war das Wetter. Am Renntag sind die äußeren Bedingungen auf dem 72-Kilometer-Kurs katastrophal. Stürmische Niederschläge, jede Menge Matsch auf der Straße. Die Wagen schlittern nur so durch die heimtückischen Kurven der engen Gebirgspisten, finden kaum Halt.

Glemser teilt sich seinen 906 Carrera 6 mit Hans „im Glück“ Herrmann. Der Stuttgarter Routinier, gerade wieder in Porsche-Diensten, heißt so seit seinem fürchterlichen Unfall 1959 auf der Berliner Avus. Herrmann startet, hält sich unter den Besten. Vorneweg: Lokalmatador Nino Vaccarella im Ferrari 330 P3, der jeden Zentimeter Strecke auswendig kennt, gefolgt von Gerhard Mitter, Ludovico Scarfiotti, Willy Mairesse und Günter Klass. Also: Ferrari, Porsche, Ferrari, Porsche, Porsche. Es ist ein erbarmungsloser Abnutzungskampf. Im Dauerregen. Rot gegen Weiß.

Nach drei Runden übernimmt der junge Glemser das Steuer von Herrmann. Es schüttet weiter. Nur manchmal bricht die Sonne durch. Dann brennt sie das Wasser von der Piste. Dampfschwaden steigen auf. Zur Abwechslung halten kurze, kräftige Hagelschauer den brüchigen Asphalt schlüpfrig. Glemser fährt trotzdem, was das Zeug hält: „Sagenhaft“, sagt der heute 80-Jährige. „Ich habe einen nach dem anderen überholt, die ganzen Superstars jener Zeit.“ Frech drängelt er sich durch das Feld. In der Box träumt von Hanstein bereits vom Sieg, umso mehr, als Glemser im Regen eine unfassbare Runde fährt: Bei 45:34,000 Minuten bleibt die Stoppuhr stehen.

„Sagenhaft.“ Dieter Glemser

Doch der Traum des schwäbischen Youngsters vom großen Triumph platzt kurz darauf in einer matschigen, engen Rechtskurve. Glemser dreht sich spektakulär, der Wagen prallt gegen die Steinmauer, die linke Hinterradaufhängung bricht. Das Aus. Nur zwei der fünf Werks-Porsche schaffen es ins Ziel – als Erste Willy Mairesse, der Belgier, und sein Schweizer Co-Pilot Herbert Müller im Filipinetti-Porsche. Dritte werden die Italiener Vincenzo Arena und Antonio Pucci im Werksfahrzeug. Huschke von Hanstein ist zufrieden. Mission erfüllt.

08.05.1966

50. Targa Florio
Vierter Lauf zur Sportwagen-WM 1966, Sizilien
Dieter Glemser
71,800 Kilometer Streckenlänge
Porsche 906 Carrera 6

Franz Ponder
Franz Ponder

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