«Ich hätte die Nummer 1 kaufen können – aber ich wollte gar nicht»

Porsche Schweiz: Ein Gespräch mit Hansueli Eugster, 87, über die frühen Jahre als Porsche-Mechaniker und -Händler. Und auch darüber, was seine Rennwagen von damals heute wert sind.

      

Seine Augen sind hellwach, er lacht gerne und oft: Der 87jährige Hansueli Eugster erzählt gerne Geschichten. 1948, als die AMAG die ersten VW Käfer in die Schweiz importierte, war er Automechaniker-Lehrling im ersten und damals noch einzigen AMAG-Betrieb am Utoquai 47 in Zürich. Er lernte schnell und gut, sah die Möglichkeiten und technischen Vorteile des Fahrzeugs, das Prof. Ferdinand Piëch erschaffen hatte, und stieg schnell zum Vorarbeiter auf.

Eugster: Schon 1952 habe ich übrigens meinen ersten eigenen Porsche gekauft, für 10’000 Franken, die ich selber verdient hatte. Neu hatte dieses Fahrzeug etwa 14’000 Franken gekostet, ich konnte ihn mit etwa 6000 Kilometer übernehmen. Das war damals sehr viel Geld, man darf da schon den Faktor 10 nehmen im Vergleich zu heute: Als Werkstattchef habe ich damals 3.50 Franken auf die Stunde verdient, was ein sehr guter Lohn war.

Er wollte mehr wissen von diesen neuen Fahrzeugen, die damals nicht nur in der Schweiz noch sehr selten waren. Eugster durfte für einige Zeit als Volontär im Werk in Zuffenhausen arbeiten: «Das war eine harte Zeit. Aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg». Dort lernte er auch Rolf Wüthrich kennen, der später als Mechaniker von James Dean berühmt wurde (und als Beifahrer auch den tragischen Unfall der amerikanischen Film-Ikone überlebte), der ihm von den Möglichkeiten für gute Mechaniker in Kalifornien erzählte. Eugster verkaufte seine Porsche, kaufte Werkzeug – und war eigentlich schon auf dem Weg nach Amerika. Aber er hatte unterdessen an der Nordstrasse 124 in Zürich in einer Garagen-Box seiner Eltern auch eine Reparatur-Werkstätte eröffnet – und die Nachfrage war so gross, dass er sich entschloss, seinen «VW- und Porsche-Dienst Hansueli Eugster» weiter auszubauen.

Eugster: Ich habe 1953 angefangen, als Ein-Mann-Betrieb. Damals war ich natürlich noch nicht ein offizieller Vertreter, das hiess einfach VW- und Porsche-Dienst Hansueli Eugster. Kurz darauf kam schon die Direktion der AMAG vorbei und fragte, ob ich nicht VW-Vertreter werden möchte. Da habe ich selbstverständlich zugesagt – Porsche-Händler wurde man damals automatisch, wenn man eine VW-Vertretung hatte.

Und so kamen auch die ersten Porsche-Fahrer zu Eugster. Er kaufte seinen Eltern das Haus ab, baute seine Werkstatt an der Nordstrasse immer weiter aus, hatte bald einmal sechs Mitarbeiter.

Eugster: Ich hatte die Nummer 1 bei mir im Service, von Herrn Schulthess. Wir haben schon damals immer etwas gelächelt über diesen ersten Porsche, die Nummer 1 – das war nicht wirklich eine Sensation. Hätte ich gewollt, dann hätte ich das Auto für wenige Tausend Franken kaufen können. Aber ich wollte ihn gar nicht. Die frühen Fahrzeuge waren nicht perfekt, aber wir lebten in der Zeit, als die Autos gebaut wurden. Die Porsche wurden über die Jahre immer schöner – und besser. Aber wir arbeiteten damals halt mit dem, was wir hatten, da haben wir auch gar keine Fragen gestellt.

Man weiss ja, dass Schulthess den Wagen gegen einen neueres Stahl-Coupé 356 eintauschen konnte – geschah das bei Ihnen?

Eugster: Nein, das hat er ohne mich gemacht. Aber Schulthess blieb Kunde bei mir. Wir hatten mit den anderen frühen Fahrzeugen nicht viel zu tun.

In den 50er Jahren war das ja noch sehr speziell, wenn man einen Porsche fuhr, die Marke war noch nicht so bekannt. Wer waren die Kunden?

Eugster: Damals hatte ich noch ganz wenig Porsche-Kunden, wir waren aber sehr bekannt für unsere VW-Garage. Einer meiner ersten Kunden war ein Dr. Fischer, ein Arzt, der fuhr ein 1500er Super Cabriolet. Danach bestellte er bei mir ein Coupé. Als der Wagen dann aus Stuttgart ankam, habe ich ihn angerufen, dass er ihn abholen könne, das war direkt vor Pfingsten. Ich freute mich schon auf das Cabrio, das ich in Zahlung genommen hatte, wollte über Pfingsten damit ausfahren, doch der Doktor hatte keine Eile, sagte, er könne ihn noch nicht brauchen. Er war auch sonst ein schwieriger Kunde, viele andere Garagisten hätten den fallengelassen, was ich aber nie getan hätte. Das hat sich für mich dann aber gelohnt: Viel später kam die Tochter des Doktor, ich konnte für sie ein Leasing organisieren – und daraus entwickelte sich eine langjährige Kundenbeziehung mit ihrer Firma. Wir konnten über die Jahren sicher 700 VW und Audi verkaufen, und auch einige Porsche für das Kader. Das schon erwähnte Cabriolet verkaufte ich dann an Dr. Schneider, den Direktor des Schweizer Landesmuseums. Der hatte vorher schon VW bei mir gekauft, doch dann wollte er sich etwas Besonderes leisten. Er fuhr dann mit dem Wagen nach Spanien in die Ferien, doch dann hatte er mitten in Frankreich eine Panne. Die Franzosen sagten, das dauere zwei Wochen, sie mussten den Motor ausbauen, nach Paris schicken. Ich habe Dr. Schneider dann gesagt, er solle einen grossen Wagenheber organisieren und «Böckli», auf denen ich den Wagen abstellen könne – ich wusste nach einem Gespräch mit den Franzosen, was das Problem war, der Zündverteiler drehte nicht mehr. Mir war klar, dass die frühen Modelle auf der Kurbelwelle ein Schneckenrad aus Stahl hatten, das sich mit der Zeit zersetzte – ich musste also den Motor ausbauen und komplett auseinandernehmen, um das reparieren zu können. Als ich dann am Abend in Frankreich eintraf, versprach ich den Schneiders, dass sie am nächsten Morgen weiterfahren können – und das habe ich dann tatsächlich geschafft. Die Familie Schneider bedankte sich herzlich – und sie blieben lange Jahre gute Kunden, wurden sogar zu Freunden.

Haben Sie damals auch Rennwagen betreut?

Eugster: Oh ja. Wir haben viel für die Mitglieder des Porsche-Club gearbeitet, ich habe damals auch schon Tuning angeboten.

Aber Sie waren ja selber auch ein erfolgreicher Rennfahrer…

Eugster: Clubrennen bin ich sehr oft gefahren, auch in Deutschland. Ich war auch erfolgreichster Fahrer bei den Flugplatzrennen in den Jahren 1958 bis 1963. Bei Mitholz-Kandesteg habe ich 1957 die schnellste Zeit überhaupt gefahren. Ich bin wenig Rennen gefahren, die erste Saison war 1957. Das war gute Werbung für mich. Ich kann mich erinnern, dass ein Porsche-Besitzer aus Bern anreiste, um bei mir einen Ölwechsel zu machen – einfach, weil er mich kennenlernen wollte. Ich bin ja immer denkbar knapp zu den Rennen angereist, ich musste ja viel arbeiten, für mehr als eine kurze Besichtigung reichte es mir selten. Einmal reiste ich aber früher an, für das Bergrennen Freiburg-Schauinsland, weil ich wusste, dass das eine gefährliche, schwierige Strecke ist, da konnte man auch in den Wald abfliegen. Damals fuhr man ja noch auf eigener Achse mit dem Fahrzeug an, dann fuhr ich hoch und runter und hoch und runter. Dabei bemerkte ich einen BMW und einen Mercedes, die das ebenfalls machten. Als einer einmal anhielt, stoppte ich auch - und sah, dass es «der Trips» war (Wolfgang Berghe von Trips). Ich sagte dann zu ihm, dass es kein Wunder sei, dass die Werksfahrer so schnell sind, weil sie ja immer trainieren können. Der andere war Maglioli. «Den Trips» traf ich später oft, wir haben oft miteinander gesprochen – ich war sehr traurig, als er verunfallte.

Wie erklären Sie sich die Dichte von Porsche in der Schweiz und ganz besonders in Zürich? Derzeit sind knapp 2000 Porsche eingelöst, das ist gemessen an der Einwohnerzahl rekordverdächtig.

Eugster: Das weiss ich auch nicht. Möglicherweise hat es einfach genug Leute, die Geld haben. Die Porsche-Kundschaft war schon anders, viele waren auch technisch interessiert, wollten wissen, wie das funktioniert, was habt Ihr an meinem Auto gemacht. Das war immer unsere grosse Stärke, unsere Kunden durften auch zuschauen, wenn an ihrem Fahrzeug gearbeitet wurde – das war auch ein Service, den die viel grössere AMAG nicht bieten konnte. Wir hatten damals ein sehr gutes Verhältnis zur AMAG, was vor allem an Hans Stanek lag, der halt wusste, was die guten Vertreter wert waren. Aber das geht heute nicht mehr, das funktioniert nur mit kleineren Stückzahlen, mit kleineren Vertretungen.

Gerne plauder Hansueli Eugster auch über die Porsche (und VW), die er heute noch besitzt – und selbstverständlich regelmässig fährt sowie selber wartet. Stolz zeigt er auf seinem Smartphone Bilder, ein sehr seltenes Hebmüller-Käfer-Cabrio, die 356er.

Eugster: Bei den heutigen Oldtimer-Preisen darf man sich schon an den Kopf greifen: 1957 fuhr ich Rennen mit einem 550 Spyder, wurde auch Vize-Schweizermeister, direkt hinter dem Berg-Europameister. Dieses Fahrzeug habe ich dann für 14’500 Franken verkauft – und heute bringen sie bis zu fünf Millionen. Ich wurde oft gefragt, warum ich dieses Auto nicht behalten habe. Die Antwort ist ganz einfach: Ich brauchte das Geld dringend, ich konnte damals ja nicht sagen, vielleicht, vielleicht hat er dann einmal einen grossen Wert. Im Gegenteil, ein Rennwagen war damals sehr schnell weniger wert: Man brauchte diese Wagen ja dafür, weil man Rennen gewinnen wollte – doch das neue Modell hatte ja dann schon wieder 30 PS mehr, da wollte niemand mehr den Alten, damit war man chancenlos.

Peter Ruch
Peter Ruch
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