In der Kurve liegt die Kraft

Porsche Schweiz: Warum verkauften sich die rennsportlichsten Versionen des Porsche 911 in der Schweiz stets so gut – obwohl es im Land keine echte Rundstrecke gibt? Nach dieser Alpentour mit einem Rudel R- und RS-Elfern ist klar: wegen der unschlagbaren Kurven natürlich.

Passfahrten

Verbrauchsangaben

Posche GT3 RS
CO₂-Emission (kombiniert): 291 g/km
Verbrauch innerorts: 19,2 l/100 km
ausserorts: 9,0 l/100 km
kombiniert: 12,8 l/100 km
CO₂-Emissionen aus der Treibstoff- und/oder der Strombereitstellung: 67 g/km
Effizienzklasse: G
Der Durchschnittswert der CO₂-Emissionen aller in der Schweiz verkauften Neuwagen beträgt 133 g/km. (Stand 07/2018)

Die Alpen sind eines der letzten grossen Abenteuer in unserer modernen Welt. Und hier, in der Schweiz, liegen sie direkt vor unserer Haustür. Wo sonst kann man unserer Zivilisation so schnell und konsequent für ein paar Tage entfliehen wie in der rauen Bergwelt der Alpen? An keinem anderen Ort in Europa ist die Natur so rau und schroff, ist das Wetter so unberechenbar, ist der Mensch so sehr auf sein vorzivilisatorisches Ich zurückgeworfen wie jenseits der Baumgrenze. Schon seit einigen Jahrhunderten zieht es Wagehälse und Draufgänger auf der Suche nach dem ultimativen Kick in die Berge. Und ganz egal, ob es nun Johann Wolfgang von Goethe war, der 1779 im Schneesturm am Furkapass dem Tod ins Gesicht blickte, oder Hans Stuck, der in den 1930er Jahren mit donnernden Motoren und stets einem Rad über dem Abgrund den Klausenpass erstürmten – immer wurden die tollkühnen Kerle mit reichlich Adrenalin und Ruhm belohnt.

„Den Elfer muss man im wahrsten Sinne des Wortes verführen.“ Vic Elford
Rudeltiere:

Rudeltiere:

Warmfahren auf der Geraden – die schönsten Kurven Graubündens sind nicht mehr weit.

Mit den ersten Porsche-Sportwagen, die vor 70 Jahren auf Europas Strassen rollten, waren die Alpenstrassen plötzlich auch für Automobilisten ohne Bergmeister-Ambitionen ein echtes Erlebnis. Denn wo liess sich die Agilität der kleinen und leichten Sportwagen besser erleben als auf den Serpentinen der Schweizerischen Gebirgspässe? Am Steuer eines Porsche 356 – der puristischen Blaupause aller Boxermotor-Legenden – spürt man die Strecke in jeder Faser des Körpers. Kein Wunder, war der Wagen doch in den Bergen entwickelt worden. Noch dynamischer wurde es ab 1963 mit dem Porsche 911, der dem Begriff „Sportwagen“ mit seinem legendären Layout und dem knackigen Sechszylinder-Boxermotor eine ganz neue Bedeutung gab – und den grossen Sportwagenkolossen ihren Acht- und Zwölfzylindern unter der Haube bis heute in jeder Serpentinenkombination die Show stielt. Dabei war der Porsche 911 immer ein Sportwagen, der seine Fahrer forderte. Der grosse Rallye-Pilot Vic Elford erklärte einmal: „Sobald man die physikalische Dynamik verstanden und die Balance verinnerlicht hat, wird ein Wagen vorhersehbar – und damit absolut sicher. Dem Elfer dagegen muss man gut zureden, man muss ihn überzeugen, ihn im wahrsten Sinne des Wortes verführen – und eben niemals versuchen zu reizen.“

Ideallinie:

Ideallinie:

In den Kurven des Flüelapasses sind Agilität und Zugstärke gefragt.

Schon kurz nach dem Produktionsstart gab der Elfer im Frühjahr 1965 sein Rennsport-Debüt bei der Rallye Monte-Carlo, wo Herbert Linge mit einem seriennahen 911 einen souveränen fünften Platz einfuhr. Als 1966 der noch schnellere, 160 PS starke Porsche 911 S vorgestellt wurde, gab es kein Halten mehr: Bei den 24 Stunden von Le Mans erzielte eine auf eigener Achse angereiste Sportversion einen Klassensieg, während Vic Elford hinter dem Steuer eines Elfers Rallye-Europameister wurde. Angespornt von diesen sportlichen Erfolgen wurde in Zuffenhausen an neuen, noch leistungsfähigerern Rennsport-Versionen geschraubt. Ferry Porsches damals 30-jähriger Neffe Ferdinand Piëch, der die hauseigene Entwicklungsabteilung leitete, entwickelte zusammen mit Rennmechaniker und -fahrer Rolf Wütherich eine bemerkenswerte Leichtbauversion des Porsche 911. Alle Teile, die nicht niet- und nagelfest waren, wurden entfernt, Metallbleche und Glasscheiben durch Fiber- und Plexiglas ersetzt, Türgriffe und Rücklichter eingespart. Statt den rund 1.030 Kilo eines serienmässigen Porsche 911 S brachte der Leichtbau-Elfer nur noch 800 Kilogramm auf die Waage. Bis heute gilt der Porsche 911 R von 1967 damit als leichtester Elfer aller Zeiten.

Der Porsche 911 Carrera 2.7 RS und der 911 R: Bis heute die begehrtesten Strassenversionen des Urmodells.

Das Potential des puristischen Renn-Elfers war immens. Jo Siffert und seine Schweizer Teamkollegen stellten 1967 mit dem Porsche 911 in Monza sogar fünf neue Langstrecken-Weltrekorde auf. Doch der ganz grosse Erfolg im Rennsport blieb dem Wunder-Elfer verwehrt – aus politischen Gründen wurden statt der 500 für die GT-Homologation nötigen Exemplare nur 19 gebaut. Erst Anfang der 1970er Jahre konnten sich die Rennsport-Ingenieure innerhalb der Marke durchsetzen: Der nach ähnlichem Leichtbau-Prinzip gebaute Porsche 911 Carrera RS 2.7 wurde zu einem der erfolgreichsten Renn- und Strassensportwagen aller Zeiten. Bis heute sind der 2.7 RS und der noch seltenere R die begehrtesten und am teuersten gehandelten Strassenversionen des Porsche 911 Urmodells. Auch in den nachfolgenden Elfer-Generationen blieben die Entwickler dem rennsportlich-puristischen Rezept treu – die RS-Modelle des 964 oder 993 gelten als moderne Klassiker und grossartige Fahrmaschinen, die immer neue Preisrekorde erzielen.

Der Buchstabe „R“ auf dem Heck:
Für Elfer-Jünger noch immer der heilige Gral.

 

Dass der Buchstabe „R“ auf dem Heck für Elfer-Jünger noch immer den heilige Gral darstellt, bewies sich 2016, als Porsche eine limitierte Reinkarnation der Rennsportlegende auflegte – und die 991 Exemplare des neuen Porsche 911 R schneller verkauft waren, als die Vertriebsmitarbeiter in den Porschezentren „Vierliter-Sechsyzlinder-Boxersaugmotor“ und „Sechsgang-GT-Schaltgetriebe“ sagen konnten. Und auch die RS-Insignien stehen in der aktuellen Baureihe 991 für den Kampf der Ingenieure im Entwicklungszentrum in Weissach, die Grenzen der Physik mit jedem neuen GT3 RS oder GT2 RS ein wenig weiter auszuloten. Was gäbe es zu Porsches 70. Sportwagenjubiläum also für eine bessere Hommage an die sportliche Historie der Marke, als mit einem bunt gemischten Rudel wilder R- und RS-Versionen eine 1.400-Kilometer-Rundfahrt über die schönsten und spannendsten Strassen der Alpen zu unternehmen?

Auch mächtig Dampf:

Auch mächtig Dampf:

Mit ein bisschen Glück kann man am Rhonegletscher die alte Furka-Dampfbahn erleben.

Und so dröhnen an einem schönen Sommermorgen – der Himmel ist blau, die Luft frisch und klar – fünf aktuelle Porsche 911 R und drei Porsche 911 GT3 RS sowie ein Porsche 911 Carrera RS von 1994 über den sanft geschwungenen Ofenpass in Richtung Engadin. Die Reifen haben sie sich auf den legendären Kehren des Stilfser Jochs warmgefahren, dann in den schattigen Kurven des Umbrailpasses die Keramikbremsen auf Betriebstemperatur gebracht. Und die Koordinaten der Tour sind gesetzt: Vom Unterengadin geht es hinauf auf den Flüelapass, dann über den Albulapass wieder hinauf ins Hochtal, vorbei an St. Moritz und Sils Maria zum Malojapass, nach dem Abstieg über Splügen und San Bernardino ins Tessin, über die historischen Kopfsteinpflaster der alten Tremola hoch nach Andermatt und weiter, zur Kür, über Sustenpass, Grimselpass und Nufenenpass. Eine Mille Miglia der Alpen sozusagen.

Jede Bodenwelle, jeder Kurvenradius spürbar: Nichts wird von übervorsichtigen Dämpfersystemen wegabsorbiert.

Dabei geht es trotz der rennsportlichen Qualifikation des Porsche-Rudels nicht um die Geschwindigkeit – ein Alpenpass ist schliesslich keine Rennstrecke und wer die Tachonadel am Anschlag sehen will, kommt auf der Nordschleife sowieso besser auf seine Kosten. Was die R- und RS-Elfer aber zu leisten vermögen und was sie vom Grossteil der Komfort- und Allwettersportwagen unterscheidet, ist es, die ultimative Nähe zum Asphalt herzustellen, den Fahrer sozusagen mit der Strasse zu verschmelzen. Jede Bodenwelle, jeden Kurvenradius spürt man in Mark und Bein, nichts wird von übervorsichtigen Dämpfersystemen wegabsorbiert. Man erfährt die Architektur, die Rauheit der Strassen, die knisternde Kraftentfaltung beim Herunterschalten am Hang, den Biss der Bremsen und die Fliehkräfte in den Kurven – das gesamte Erlebnis ist so direkt, dass einem der eigene  Puls zum Takt des Saugmotors in den Ohren pocht und die Grenzen zwischen Hand und Lenkrad, zwischen Fuss und Gaspedal sich mit jeder Serpentine weiter auflösen. Nur auf dem Sattel eines Motorrads oder eines Rennrads dürfte das Alpenerlebnis noch unmittelbarer sein als am Steuer dieser puristischen Sportwagen.

Ruhe nach dem Sturm:

Ruhe nach dem Sturm:

Das rasante Rudel gönnt sich nach der Bergfahrt zum Stilfserjoch eine Pause.

Natürlich liegen zwischen dem Porsche 911 Carrera RS von 1994 und dem Porsche 911 GT3 RS von 2017 Welten – mehr Hightech, mehr Leistung, mehr Sicherheit, mehr Gewicht. Und doch ist die Philosophie seit dem 911 R von 1967 und dem Carrera RS von 1972 unverkennbar dieselbe geblieben. Es ist das einzigartige Erfolgsrezept des Porsche 911, dass man ihn nach mehr als 50 Jahren stets noch ein wenig besser und feiner abstimmen, ihm immer noch ein paar Zehntelsekunden abtrotzen kann. Das kann man in den Rundenrekorden ablesen, die jedes neue RS-Modell traditionell absolviert. Am eigenen Leib erfahren kann man es jedoch noch eindrücklicher auf  einer menschenleeren Alpenstrasse im Morgengrauen. Das wissen auch die Schweizer Porsche-Kunden, die den Rennversionen seit Jahrzehnten die Treue halten. Denn wer braucht schon eine Rennstrecke für seinen Porsche 911 R oder RS, wenn diese Traumstrassen vor der Haustür liegen?

Jan Baedeker
Jan Baedeker
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