Zwei Vorstände, eine Vision
Den Porsche-Sportwagen der Zukunft gemeinsam entwickeln und dabei dessen Faszination und Einzigartigkeit bewahren, darum geht es Entwicklungsvorstand Michael Steiner und Sajjad Khan, Vorstand für Car-IT. Mit dem Christophorus sprechen sie über Chancen der Digitalisierung, veränderte Kundenbedürfnisse – und die Vorteile gemeinsamer Büroflächen.
Herr Steiner, Herr Khan, Porsche hat mit Car-IT ein zusätzliches Vorstandsressort geschaffen. Warum war dieser Schritt nötig und sinnvoll?
Michael Steiner: Die Gründe liegen in der Digitalisierung, sie verändert die gesamte Industrie. Software und IT-Systeme sind integrale Bestandteile moderner Fahrzeuge. Es reicht schon lange nicht mehr aus, einzelne Steuergeräte zu programmieren. Stattdessen interagieren heute im Fahrzeug viele Regel- und Assistenzsysteme miteinander, und auch die Kommunikation mit der Außenwelt wird immer wichtiger. Wir sind auf dem Weg zum intelligenten Fahrzeug.
Sajjad Khan: Wenn ich eine Analogie zum menschlichen Körper bilde, dann sind Software und Datenverbindungen heute das Blut und die Blutbahnen. Sie versorgen den gesamten Organismus. Aber wie der Körper besteht das Auto nicht nur aus Software. Es braucht auch die Hardware. Sie verkörpert unsere klassischen Tugenden, die schon bisher die Faszination unserer Sportwagen ausmachten. Diese werden wir auch künftig weiterentwickeln.
Die Automobilbranche erlebt derzeit die wohl größte Transformation ihrer Geschichte, sagt Porsche-Vorstandschef Oliver Blume. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus?
Steiner: Wir haben frühzeitig reagiert und gestalten diesen Wandel aktiv mit. Die Elektromobilität erfordert massive Investitionen und bringt tiefgreifende Veränderungen, vor allem für die klassische Welt der Verbrennungsmotoren. Dafür kommen neue Themen wie Elektrochemie oder Hochspannungselektrik hinzu. Die Digitalisierung betrifft als übergeordnetes Thema praktisch alle Bereiche.
Khan: Sie verändert sogar die Lebensweise, unsere Kunden erfahren das tagtäglich selbst. Haushaltsgeräte werden inzwischen in das Internet der Dinge (Internet of Things – IoT) integriert –ein Netzwerk, das praktisch allumfassend sein wird. Dahin geht die Reise, auch beim Auto. Aber es vermittelt durch Design, Performance und Dynamik immer noch sinnliche Eindrücke.
Verändern sich Prioritäten für die Entwicklung von Fahrzeugen? Vereinfacht gesagt: weg von Stahl und Mechanik, hin zu Software und Spitzenelektronik?
Steiner: Ein Porsche wird sich auch künftig wie ein Porsche fahren. Die Präzision, mit der unsere Sportwagen auf Lenk- und Bremsbefehle reagieren, ist ein zentrales Differenzierungsmerkmal. Die klassischen fahrdynamischen Tugenden erweitern wir jetzt mit den digitalen Möglichkeiten. So können wir Funktionen im Fahrzeug durch digitale Lösungen realisieren, statt wie früher vorwiegend über die Hardware. Damit sind wir effektiver in der Entwicklung, weil wir nicht für jede Generation fast jedes Bauteil neu entwickeln müssen. Ein weiterer Vorteil: Wir können auch noch nach der Markteinführung eines Modells durch Updates notwendige oder wünschenswerte Anpassungen vornehmen.
Khan: Hard- und Software sind für uns keine Gegensätze. Der klassische mechanische Bereich und die digitalen Systeme müssen so ineinandergreifen, dass Qualität und Innovation auch weiterhin die Kunden überzeugen. Heutzutage wird erwartet, noch neue Features zu bekommen, nachdem man den Wagen gekauft hat. Das bezieht sich nicht nur auf die Systeme im Fahrzeug, sondern auf die gesamte Umgebung, zu der wir auch die Fahrzeugvernetzung inklusive Cloud-Anbindung und die Nutzung der Apps wie My Porsche zählen.
„Hard- und Software sind für uns keine Gegensätze.“
Sajjad Khan
Ändern sich die Ansprüche der Kunden in Bezug auf Leistungsfähigkeit und Bedienungskomfort der digitalen Systeme?
Steiner: Der Trend ist eindeutig. Funktionen, an die vor zehn oder gar 20 Jahren noch niemand dachte, werden heute als selbstverständlich betrachtet. Das Smartphone erweist sich als Gamechanger, weil es die Alltagsgewohnheiten und damit auch alle Themen rund um die Mobilität radikal verändert. Die Kunden erwarten, dass die Funktionen im Auto genauso intuitiv und komfortabel zu bedienen sind wie bei ihren mobilen Geräten.
Khan: Die Erwartungen wachsen mit den technischen Möglichkeiten. Das gilt auch für die mobilen Entertainmentangebote. Wer auf dem Beifahrersitz oder im Fond mitfährt, möchte heute vielleicht Streamingdienste nutzen und Videos anschauen. Oder sein Fahrzeug als mobiles Büro einsetzen und an einer Videokonferenz teilnehmen, ohne dass die Verbindung ständig abbricht. Das vernetzte Fahrzeug entwickelt sich zunehmend zur Kommunikationszentrale.
Gibt es, global betrachtet, in diesem Bereich unterschiedliche Anforderungen in den Märkten und wie stellt sich Porsche darauf ein?
Khan: Die Bedürfnisse unserer Kunden differieren zum Teil erheblich in den einzelnen Märkten. Weil wir als globale Marke antreten, müssen wir sicherstellen, dass die unterschiedlichen digitalen Ökosysteme sehr gut in unsere Programme passen. In China beispielsweise nutzen die Kunden ihre landeseigenen Plattformen für Nachrichten, Chats, Entertainment und Payment. Das sind Angebote, die im Rest der Welt völlig unbekannt sind, und dennoch müssen wir sie in unsere Konzepte integrieren. Wir werden dem gerecht, indem wir noch stärker auf regionale Lösungen für die Driver Experience setzen.
Steiner: Das stellt uns zuweilen vor komplexe Aufgaben in der Entwicklung. So wurden in China mit den zunehmenden Fähigkeiten der digitalen Sprachassistenten die bisher üblichen Touchscreens zur Zeicheneingabe schneller als in anderen Ländern verdrängt. Das hat mit den Besonderheiten der Schriftzeichen zu tun, die im Vergleich zur gesprochenen Sprache umständlich einzugeben sind. Der chinesische Markt eilt hier voraus, die Sprachassistenten erfreuen sich mittlerweile aber auch in anderen Märkten wachsender Beliebtheit.
Fahrerassistenzsysteme werden ständig perfektioniert, autonomes Fahren ist bei Automobilherstellern und Techunternehmen ein wichtiges Entwicklungsgebiet. Wie positioniert sich Porsche bei diesem Thema?
Steiner: Es wird zunehmend ein Thema im Markt, das spüren wir auch bei Porsche. Vor einigen Jahren hätte man einen Abstandsregeltempostat in einem Porsche für exotisch gehalten, heute ist er eine beliebte Option. Bald wird es wohl üblich sein, dass auch in einem Porsche intelligente Assistenzsysteme für teil- oder sogar hochautomatisiertes Fahren verfügbar sind. Das heißt nicht, dass wir den Fahrer entmündigen oder gar das Lenkrad abschaffen wollen. Ein Porsche wird immer ein Fahrzeug sein, das man selbst fahren möchte. Aber alles, was das Leben mit dem Auto noch angenehmer und sicherer macht, wird irgendwann nachgefragt werden.
Khan: Auf dem Weg dahin sind noch viele grundsätzliche Fragen zu lösen. Wenn das Fahrzeug beim automatisierten Fahren in kritische Situationen gerät, kontrolliert nicht der Fahrer, sondern die Software. Wie agiert und reagiert das System dann? Wer entscheidet, ob eine Vollbremsung oder ein Ausweichmanöver eingeleitet wird? Das sind Fragen, die wir intensiv diskutieren. Es geht darum, den Begriff „intelligentes Fahrzeug“ so zu definieren, dass die Kunden auch wirklich mitgehen.
„Eine der wichtigsten Fragen ist, was die Kunden von Porsche erwarten.“
Michael Steiner
Womit wir bei der Künstlichen Intelligenz wären – welche Themen haben Sie da derzeit speziell im Blick?
Steiner: Die Möglichkeiten können wir heute nur erahnen, weil die KI auch in anderen Branchen gerade erst auf breiter Front einzieht. Eines der wesentlichen Themen wird sein, wie unsere Fahrzeuge den Menschen verstehen und sein Leben noch angenehmer gestalten können. Das wird weit über die Sprachassistenten hinausgehen. Welche neuen Differenzierungsmöglichkeiten wir dann für die Marke schaffen, wird eine spannende Herausforderung sein. Auch dabei ist eine der wichtigsten Fragen, wie Sajjad Khan sagt, was die Kunden von Porsche erwarten. Das muss nicht immer das sein, was gerade technisch möglich ist.
Khan: Oft zeigen sich technische Möglichkeiten nicht unbedingt zuerst im Fahrzeug, sondern bei anderen intelligenten IoT-Geräten. Dann müssen wir überlegen, ob das auch im Auto sinnvoll sein kann und relativ schnell zu einer Erwartungshaltung bei den Kunden führt. Wir verstehen solche Systeme aber immer als zusätzliches Angebot. Wer das nicht möchte, kann sie abschalten und seinen Porsche auch weiterhin pur genießen.
Sie beide teilen sich die Büroflächen im Entwicklungszentrum Weissach – ein Symbol dafür, wie stark Ihre Vorstandsressorts ineinandergreifen?
Steiner: Dadurch ergibt sich oft die Möglichkeit zum Austausch, der für uns beide inspirierend ist. Es gibt keinen Bereich in meinem Ressort, der seine Ergebnisse nicht in enger Verzahnung mit Bereichen erzielt, die bei Sajjad Khan liegen. Am Ende gibt es ein Produkt für die Kunden, das wir synergetisch entwickeln.
Khan: Das geht mir genauso. Und ich freue mich besonders, einen so erfahrenen Kollegen an meiner Seite zu haben. Michael Steiner hat nicht nur überragendes technisches Wissen, er kennt sich auch sehr gut in den Strukturen des Unternehmens und des Konzerns aus. Deshalb gehe ich bei Fragen immer auf ihn zu. Gemeinsam kommen wir schneller ans Ziel.
Herr Khan, Sie sind erst seit Kurzem bei Porsche. Was bedeutet die Marke für Sie persönlich?
Khan: Die kürzeste Antwort darauf besteht aus drei Ziffern. Als ich gefragt wurde, welchen Dienstwagen ich mir wünsche, musste ich keine Sekunde überlegen: 911 Turbo S. Der 911 ist für mich immer noch der emotionale Kern der Marke Porsche.
Verbrauchsangaben
911 Turbo S
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12,3 – 12,0 l/100 km
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278 – 271 g/km
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G Klasse
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G Klasse
Taycan Turbo GT
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21,6 – 20,7 kWh/100 km
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0 g/km
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A Klasse