„Offen bleiben für Inspirationen“

Detlev von Platen hat die Weltmärkte fest im Blick. Der Porsche-Vorstand für Vertrieb und Marketing spricht über Kundenwünsche, Trends und neue Zielgruppen.

   

Herr von Platen, woraus leiten Sie Ideen für neue Produkte ab? 

Grundsätzlich ist jedes neue Produktvorhaben aus den Wünschen unserer Kunden abgeleitet. Wir haben im Vertrieb ein Marktforschungsteam, das sich mit ihren Präferenzen beschäftigt. In sogenannten Car Clinics erforschen wir, welche Modelle Kunden in Zukunft begeistern könnten. 

Die Kundenwünsche sind auch regional sehr unterschiedlich?

Richtig. Unsere Ansprechpartner in den Märkten geben uns zusätzlich zur Marktforschung regelmäßig Impulse. All diese Erkenntnisse sind zum Beispiel maßgeblich in die Produktentstehung des Taycan eingeflossen. Ich glaube aber auch an Intuition. Dazu gehört, neugierig und offen für neue Themen und Inspirationen zu bleiben. 

Und was inspiriert Sie persönlich? 

Mir kommen die besten Ideen, wenn ich um die Welt reise und beobachte, was Menschen bewegt und fasziniert. Auch der Austausch mit jungen Menschen bereichert mich.

Wie hat der Porsche Taycan das Markenbild verändert? 

Er hat eindrucksvoll gezeigt, wie stark sich Porsche entwickeln und sich gleichzeitig treu bleiben kann. Er verbindet einen neuen Zeitgeist mit dem Porsche-Spirit. Der Taycan begeistert jeden, der sich ans Steuer setzt und verkörpert unsere Markenwerte auf besondere Weise: die Verbindung von Pioniergeist und Tradition ebenso wie Performance und Nachhaltigkeit. Dass unsere Marke als innovativ wahrgenommen wird, hat viel mit dem Taycan zu tun. Nicht nur wegen seines alternativen Antriebs; er setzt Maßstäbe im Bereich Konnektivität und Digitalisierung. Auch die Markenwerte Design und Funktion werden beim Taycan optimal vereint. Das Derivat Cross Turismo ist sogar noch alltagstauglicher, zum Beispiel dank des großen Kofferraumvolumens. Darüber hinaus steht der Taycan für Exklusivität im Zusammenspiel mit sozialer Akzeptanz. 

Ist der Taycan die neue Ikone – wie wichtig bleibt der Porsche 911 für die Marke?

Der 911 wird immer die Ikone der Marke bleiben. Er ist sowohl Wurzel als auch Speerspitze unserer Modellpalette. Jedes Kind erkennt ihn an seiner Form. Auch ihn haben wir mit jeder Generation weiterentwickelt. 

Ist der nächste Entwicklungsschritt die Elektrifizierung? 

Unsere Antriebstechnologien sind flexibel auf unsere Porsche-Kernkompetenzen zugeschnitten: vollelektrische Sportwagen, dynamische Plug-in-Hybride und performante Benziner. Der Elfer hat traditionell einen Heckmotor, wir denken deshalb auch eher an eine sehr sportliche Hybridisierung, bekannt aus dem Motorsport. Mit eFuels haben wir zudem die Chance, auch Verbrenner künftig klimafreundlich zu betreiben.

Wie lassen sich Trends steuern oder sogar initiieren – ist Porsche Trendsetter?

Wir wollen kein Weltmeister in Ankündigungen sein und mit verrückten Ideen der Öffentlichkeit imponieren. Wir entwickeln Konzepte, an die wir glauben. Entscheidend sind reale Produkte und Services, mit denen wir den Qualitätsanforderungen unserer Kunden entsprechen und sie begeistern. Wenn wir damit überraschen, umso besser. Das ist für uns Glaubwürdigkeit und dafür stehen wir.

Für Kundenbegeisterung kann es bei einer internationalen Marke vermutlich nicht nur eine Musterlösung geben. Wie unterscheidet sich das Mobilitätsverhalten in Europa, den USA und Asien?

Pauschal lässt sich das nicht trennen. Gewisse Vorlieben sind aber durchaus in jeder Region erkennbar. In den USA ist der Wunsch nach individueller Mobilität traditionell sehr groß. Der Wunsch nach dem eigenen Auto wächst aber auch in China weiter – zusätzlich beschleunigt durch die Pandemie. 

Sehen Sie eine Entwicklung, die weltweit ähnlich verläuft?

Insgesamt ist die Urbanisierung ein wesentlicher Trend, wenn es um Mobilität geht. Im Jahr 2050 werden rund zwei Drittel der Menschheit in Städten leben, aktuell sind es 55 Prozent. Wir brauchen deshalb sogenannte Smart-City-Konzepte – also Ideen für intelligente und nachhaltige Verkehrsökosysteme.

„Ich glaube an die dreidimensionale Mobilität.“ Detlev von Platen

Wie wichtig sind alternative Antriebsformen bei diesen Konzepten?

Elektromobilität spielt eine entscheidende Rolle. Ich glaube aber auch an die Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte. Dazu gehört die dreidimensionale Mobilität, die ganz neue Möglichkeiten zur qualitativen Zeitgestaltung schaffen könnte. Auch damit beschäftigen wir uns intensiv. 

Wie unterscheidet sich die Altersstruktur der Kunden in den Märkten und wie adressiert Porsche insbesondere eine junge Zielgruppe? 

In China sind unsere Kunden im Durchschnitt etwa 15 bis 20 Jahre jünger als in Europa oder in den USA. Gerade in der westlichen Welt möchten wir verstärkt jüngere Menschen für die Marke gewinnen. Zum Beispiel durch neue Themen wie E-Sports, also virtuellen Motorsport. Perspektivisch werden wir uns an weiteren Sportarten beteiligen, Kitesurfen etwa, um mit jungen Menschen in Kontakt zu treten. 

Reichen dafür bestehende Vertriebsformate aus?

Auch in diesem Punkt denken wir neu. Neben den etablierten Porsche Zentren setzen wir verstärkt auf Retail-Plattformen wie Porsche Studios in Innenstädten. Dort geht es in erster Linie um eine einladende Atmosphäre und Hospitality; Markenerlebnisse und die Interaktion mit Menschen stehen im Vordergrund. Es sind Orte, an denen ich gern einen Kaffee trinke. Fahrzeuge rücken eher in den Hintergrund. Aktuelle Beispiele sehen wir in Hanoi, Vietnam, und im taiwanesischen Tainan. Demnächst folgen weitere Standorte in Europa und den USA. 

Sie setzen vermehrt auf den Online-Verkauf von Fahrzeugen. Ist das die Zukunft?

Der Online-Fahrzeugverkauf ist erfolgreich angelaufen und wird weiter ausgerollt. Nach dem Start in Deutschland im Oktober 2019 konnten wir das Angebot mittlerweile in zwölf weiteren europäischen Ländern einführen. Auch in China und den USA gibt es seit Herbst 2020 entsprechende Kanäle, die wir aktuell ausbauen. Wir bieten unseren Händlern damit bewusst eine zusätzliche Plattform. Über alle Märkte hinweg sind allein im Jahr 2020 mehr als 65.000 Online-Anfragen und -Bestellungen für Fahrzeuge eingegangen. 

Wird Porsche damit zur reinen Online-Marke?

Im Gegenteil! Unsere Vision ist eine seamless customer journey – der Kunde steht im Mittelpunkt und soll überall und zu jeder Zeit mit der Marke Porsche in Kontakt treten können. Online-Angebote und die physische Porsche-Welt gehen dabei nahtlos ineinander über.

Welche Rolle spielen Porsche Zentren dann noch in der Zukunft? 

Die Partner werden weiterhin eine sehr wichtige Rolle spielen. Unsere Kunden schätzen den persönlichen Draht zu ihrem Berater vor Ort. Mit dem Retail-Konzept Destination Porsche werden die Porsche Zentren vermehrt zu Anlaufstellen für unsere Community. Zudem bieten wir den Händlern mit flexiblen Modulen die Möglichkeit, den Showroom einfach an neue Gegebenheiten anzupassen. Nach einem ersten Prototyp in Kalifornien und Pilotzentren im chinesischen Hangzhou und in Dortmund wird das Konzept in den kommenden Jahren auf alle Porsche Zentren weltweit ausgedehnt. 

Zusammengefasst: Wir stärken unser Kernformat im Vertrieb weiter und streben einen Omni-Channel-Ansatz an. Also einen optimalen Mix aus digitalen und zeitgemäßen stationären Formaten. Dabei sind unsere Produkte für weibliche und männliche Zielgruppen gleichermaßen attraktiv. 

Beim Anteil weiblicher Kundschaft sticht China hervor … 

Tatsächlich kaufen in China fast genauso viele Frauen einen Porsche wie Männer – exakt 46 Prozent. In den anderen Märkten liegt der Anteil deutlich darunter. 

Worauf kommt es dann an, um Frauen hierzulande stärker zu gewinnen? 

Wir müssen in der Lebenswelt von Frauen noch relevanter werden und sie mit unserer Kommunikation gezielter ansprechen. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit mit Olivier Rousteing, dem französischen Chefdesigner von Balmain – ein Star in der Modewelt. Er ist von Kindheit an Porsche-Fan und hat zuletzt mit dem Panamera einige Videos für soziale Medien gedreht. Wir arbeiten intensiv an weiteren Vorhaben in dieser Richtung.

Sie sind in Orléans geboren. Wie viel französische Lebensart steckt in Ihnen? 

Ich denke, meine französischen Wurzeln haben mich gelehrt, das Schöne am Leben schätzen und genießen zu können. Das Savoir-vivre. 

Und wie hat Sie das Leben in den USA geprägt?

Aus dieser Zeit habe ich einen großen Teil meiner positiven Grundhaltung mitgenommen. Auch mein Motto: Versuche stets das Unmögliche, um das Mögliche zu erreichen. Das hat mir auch im vergangenen Jahr geholfen. Ich konnte die Corona-Situation stets auch als Chance sehen und bin weiterhin überzeugt, dass wir als Porsche gestärkt daraus hervorgehen werden. Alles in allem haben mich die Erfahrungen in verschiedenen Ländern und auf mehreren Kontinenten extrem bereichert und ich freue mich, wenn ich dies im Rahmen meines Tuns bei Porsche weitergeben kann.

Detlev von Platen

Aufgewachsen in Frankreich, wechselte der heute 57-Jährige für seine beruflichen Aufgaben häufiger das Land. Seinem ersten Engagement in Deutschland vor 30 Jahren folgte erneut ein Aufenthalt in Frankreich. Später war er in den USA für Porsche tätig. Seit 2015 ist er in Zuffenhausen als Vorstand verantwortlich für die Bereiche Vertrieb und Marketing.

Linda Riechers
Linda Riechers

Pressesprecherin Vertrieb und Marketing

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