Geradeaus ist langweilig
Porsche Schweiz: Man braucht nicht mehr als 30 Zentimeter Pulverschnee und klirrende Kälte. Und natürlich viel Platz. Dann lässt sich beim Winterfahrtraining in Samedan, Graubünden spüren, wie dynamisch und sicher sich der Porsche Cayenne dank Allrad und zahlreicher Assistenzsysteme bei Eis und Schnee bewegen lässt.
Winterfahrtraining
Verbrauchsangaben
Cayenne S
CO2-Emission (kombiniert): 215–211 g/km
Verbrauch innerorts: 11,5–11,3 l/100 km
ausserorts: 8,1–8,0 l/100 km
kombiniert: 9,4–9,2 l/100 km
CO2-Emissionen aus der Treibstoffbereitstellung: 47 g/km
Effizienzklasse: G (Stand 11/2019)
Der Durchschnittswert der CO2-Emissionen aller in der Schweiz verkauften Neuwagen beträgt 137 g/km.
Kein Kristall zu sehen. Grüngrau ist die vorherrschende Farbe am Grand Resort Bad Ragaz an diesem Wintermittag. Winter? Hier fliegt nicht eine Flocke, dazu herrschen feuchte 8 Grad. Der Gedanke an Schnee und Eis erscheint völlig absurd, auch wenn ein paar weisse Bündner Bergspitzen mühsam im Hochnebel zu erkennen sind. „Das wird schon noch anders“, sagt Matthias Hoffsümmer, Instruktor bei der Porsche Driving Experience und berichtet von blauem Himmel und gleissender Sonne über Pulverschnee in Samedan. Ideale Bedingungen, um sich in einem Porsche Cayenne das richtige Händchen und einen angemessenen Gasfuss für winterliche Strassenverhältnisse zu erfahren.
Also Aufbruch. Die rund 100 Kilometer hinauf ins Engadin nehmen wir im 324 kW (440 PS) starken Cayenne S unter die Räder, dessen 2,9-Liter-V6-Motor zwei Turbolader seine üppige Leistung einhauchen. Seit Ende 2017 ist die dritte Generation des geräumigen und komfortablen Porsche-SUVs mit serienmässigem Allradantrieb und Achtgang-Tiptronic auf dem Markt. Bei der Neuentwicklung blieb keine Schraube vom Vorgänger übrig.
Schon in der Altstadt von Chur lernen wir die Vierradlenkung zu schätzen. Unter Tempo 80 schlägt sie die Hinterräder bis drei Grad entgegen den Vorderrädern ein – das hilft in engen Innenstadtkurven spürbar um die Ecke. Bei höherer Geschwindigkeit sorgt sie in Kurven durch paralleles Einlenken für erhöhte Stabilität. Wir kurbeln uns steil bergan hinauf nach Malix. Noch immer umgeben uns goldbraune Winterwiesen bar jeden Schnees. Dafür spitzt aber die Sonne endlich zwischen den Wolken hervor. Wir rollen durch Churwalden und Valbella – das schöne Tal – wo sich zusehends die Wintersportler tummeln, die Ski geschultert auf dem Weg zum Lift.
Anlauf am Julier: Auf der Fahrt nach Cho d’Punt über den einsamen Pass sind die Strassen noch schneefrei.
Aber erst am Fuss des Julierpasses packt uns der Winter: Glitzernder Schnee in der Abendsonne, der Cayenne S schwingt sich mühelos und geschmeidig die Spitzkehren hinauf zur Passhöhe, auf dem der rote Origen-Holzturm, ein temporäres Theater, im Abendlicht glüht. Der Cayenne – ein Sportwagen? Definitiv, trotz fünf Plätzen, 770 Litern Ladevolumen mit aufgestellter Lehne im Fond und 4,92 Meter Länge. Steile Abfahrt hinunter nach Silvaplana; im letzten Licht rollen wir vor dem Kempinski Grand Hotel des Bains in St. Moritz aus. Voller Erwartungen an den nächsten Tag.
Wie agiert der Cayenne in Tiefschnee oder auf Eis?
Der beginnt lichtdurchflutet unter wolkenlosem Himmel. Minus 22 Grad zeigt das Cockpit-Thermometer. Im Schatten scheinen es gefühlt nochmals zehn Grad weniger, aber die Sonne hat spürbar Kraft hier auf über 1.700 Metern über dem Meer. Vor uns liegt eine weite Schneefläche am Rand des Samedaner Ortsteils Cho d’Punt. Auf einem gewalzten Schneefeld verlieren sich einige rote Hütchen. Instruktor Matthias Hoffsümmer teilt uns in Gruppen ein und Autos zu – wir starten auf dem Cayenne Turbo ins Abenteuer Winterfahrtraining. Wie agiert das Auto in Tiefschnee oder auf Eis ohne Assistenzsysteme? Wie reagiert man richtig auf ein wedelndes Heck oder einen geradeaus rutschenden Cayenne, der das Einlenken verweigert? Und wie fühlt es sich an, wenn ein SUV quer über eine Schneefläche driftet? „Wer solche Extremsituationen erahnen und meistern kann, ist auch im normalen Strassenverkehr im Winter sicherer unterwegs“, sagt Hoffsümmer.
Den Auftakt machen kurze Sprintrennen: Beschleunigen auf der Schneedecke, Wenden am Ende der Piste und wieder zurück zum Start. Schwerstarbeit für die Traktionskontrolle als Teil des Porsche Stability Managements (PSM), in dem alle Assistenzsysteme für die optimale Anpassung des Fahrzeugs an jeden Untergrund zusammengefasst sind. Sicher zieht der Cayenne seine Bahn. Bei abgeschaltetem PSM kommt allerdings der Fahrer ins Schwitzen: Der Cayenne wühlt sich durch den zunehmend lockeren Schnee und bringt zwar mit schierer Kraft die Fuhre noch flotter vorwärts als mit Assistenzsystemen. Aber beim Wenden begreifen wir sofort, warum man dieses Manöver nur auf abgesperrter Strecke versuchen sollte. Hier kommen wir aus dem Grinsen nicht heraus, aber im Strassenverkehr würde das Lachen sofort ersterben: Haltlos kommt der Cayenne quer, rutscht um den Wendepunkt und schiebt dann geradeaus. „Lenkung aufmachen“, ruft Hoffsümmer per Funk ins Cockpit. Das bedeutet Lenkrad geradestellen, wieder leicht einlenken und schon zieht der Cayenne sauber in die richtige Richtung. Dennoch: Eindrücklich, welche Kräfte beim Rutschen walten. Wieviel das PSM tatsächlich dem Fahrer abnimmt, spüren wir auch danach bei der Ausweichübung vor einem fiktiven Hindernis. Der längst völlig durchwühlte Schnee gibt ohne PSM nur ungefähren Halt, mit aber schafft man den schnellen Links-Rechts-Haken beinahe problemlos.
Wir geben einen kleinen Gasstoss und stürzen uns ins Gefälle.
Danach steht das Offroad-Intermezzo im benachbarten Steinbruch an. Die Anstiege auf die Abraumhalden wirken ehrfurchtgebietend – zumal es auf der anderen Seite ja wieder ähnlich bergab gehen dürfte. „Bitte den Fahrmodus ‚Sand‘ wählen“, gibt der Instruktor seine Anweisung durch. Sand? Definitiv, ja, weil seine Haftungsqualitäten vergleichbar zu pulvrigem Schnee sind. Der Cayenne schiebt uns per Allradantrieb kraftvoll auf den Hügel, wir fahren einfach in den Himmel hinauf, bis der Cayenne plötzlich wieder nach vorne kippt – Bremsung auf dem höchsten Punkt. Aber es bleibt keine Zeit, die Aussicht zu geniessen, denn der winzige Instruktor unten im Tal zieht den Blick geradezu magisch an. Da hinunter? Wir aktivieren den Bergabfahrassistent Hill Decent Control, geben dem Cayenne einen kleinen Gasstoss und stürzen uns ins Gefälle. Hängen in den Gurten, sollen aber dennoch die Füsse vom Bremspedal lassen, weil die Elektronik uns per gezieltem Bremseingriff auf allen vier Rädern sauber und langsam den Berg hinabbringt. Per Tempomat lässt sich dabei die Geschwindigkeit regeln. Ein wenig schneller? 18 km/h liegen sicher drin.
Anschliessend wird wieder im Flachen gewedelt. Hoffsümmer hat einen Slalom abgesteckt, bei dem wir ein Gefühl für den Drift und den richtigen Winkel zum Anfahren der Kurven entwickeln sollen. Gelenkt wird minimal mit dem Lenkrad und maximal am Gaspedal. Dabei muss man eine halbe Kurve im voraus agieren, im richtigen Moment gegenlenken und mit viel Gas den nächsten Wedler in Angriff nehmen. Ein Riesenspass. Aber nur die Vorstufe zur hohen Schule, in die uns Hoffsümmer als nächstes einführen will: die 180-Grad-Kehre per Rallye-Flic.
Nach ein, zwei Runden fahren wir geradezu im Flow.
Es klingt ganz einfach: Die Kehre innen anfahren, dann kurz Richtung Kurvenaussen lenken und auf die Bremse tippen – das Auto dreht sich ins Kurveninnere und lässt sich dann mit sensiblem Gasfuss um die Kurve driften. „Wenn die Skandinavier das können, dann schaffen das doch wohl auch Schweizer“, stichelt der Instruktor per Funk. In der Praxis schiebt unser Cayenne Turbo mal geradeaus – zu viel Lenkeinschlag – oder kommt nicht in den Drift, weil er in einem zu flachen Winkel zur Kurvenbahn steht. Schuld ist nicht das Auto, sondern – wie meistens – der Fahrer. Aber nach drei, vier Versuchen haben wir den Bogen raus. Wie auf einer Erdumlaufbahn zieht der Cayenne über 180 Grad in weitem Bogen driftend um den Wendepunkt. Hoffsümmer überschlägt sich im Funk geradezu vor Freude.
Zum Abschluss baut er alle Übungen zu einem kompletten Parcours zusammen: Schneller Antritt, gefolgt von einem Ausweichmanöver hinein in einen kurzen Slalom, dann Wenden per Rallye-Flic und das Gleiche nochmals auf der Gegengeraden. Nach ein, zwei Runden fahren wir geradezu im Flow, tippen behutsam auf die Pedale, lenken mit Feingefühl und freuen uns, wie präzise der Cayenne Turbo unsere Fahrbefehle umsetzt. Dieser Schwung macht süchtig. Wir vergessen völlig Grösse und Gewicht des ausgewachsenen SUVs. Die Sonne tippt schon an die ersten Gipfel, als Hoffsümmer uns unter unserem scherzhaften Protest wieder vom Eis holt. Auf dem Rückweg nach Bad Ragaz zuckt es dann schon ein wenig in Händen und Füssen: Wie wäre es jetzt, die Haarnadelkurven auf der Nordseite des Juliers mit einem blitzsauberen Rallye-Flic zu nehmen? Aber es bleibt bei der Versuchung – ein Drift hat im öffentlichen Strassenverkehr nichts zu suchen und schliesslich ist die Erinnerung an die anfänglichen Dreher in Cho d’Punt noch frisch.
Wieviel Sicherheit bei ungebremster Fahrfreude das Porsche Stability Management ins Auto bringt, können wir erst nach diesem Tag im Schnee wirklich einschätzen.