„Nur das Denken, das wir leben,
hat einen Wert“
Porsche Deutschland: Was haben die Werke von Hermann Hesse und Porsche-Klassiker gemeinsam? Eine zeit- und alterslose Faszination. Eine Tour im Schwäbischen mit dem Lehrer Harald Schloz und seinem 911 Turbo Targa auf den Spuren des meistgelesenen deutschen Autors.
Süddeutschland
Ein Satz wie aus dem Lehrbuch zur Wochenendgestaltung für passionierte Porsche-Fahrer: „Fußwege sind für den Werktag und für spazierengehende Herren. Das Volk aber liebt, namentlich an Sonntagen, die Landstraße, deren Poesie ihm noch nicht verlorengegangen ist.“ Diese Beobachtung aus der Erzählung „Unterm Rad“ von Hermann Hesse, dem 1877 im schwäbischen Calw geborenen Schriftsteller, Dichter und Maler, ist noch immer topaktuell. Jedenfalls bei Menschen wie Harald Schloz. Schloz, 64, Lehrer für Englisch und Sport, liebt Landstraßen. Noch mehr aber liebt der Stuttgarter seinen 911 Turbo Targa (Typ 930), Baujahr 1988, die „Krönung meiner kleinen Autosammlung“, wie er stolz erzählt.
„Das Volk aber liebt, namentlich an Sonntagen, die Landstraße, deren Poesie ihm noch nicht verlorengegangen ist.“ Hermann Hesse
Den Porsche mit dem markanten Heckspoiler besitzt er bereits seit dem Jahr 2000. „Ich habe mehr als acht Jahre nach genau diesem Modell gesucht, bis ich endlich über eine Annonce in einer Autofachzeitschrift darauf stieß.“ Noch am selben Abend setzte sich Harald Schloz in den Zug nach Düsseldorf, um den Wagen zu besichtigen, den ein Privatmann zum Verkauf angeboten hatte. „Ich war total aufgeregt.“ Der weite Weg sollte sich lohnen.
Nach einem ausführlichen Check des Fahrzeugs, wo dem 911 Turbo Targa „Originalzustand mit einem gewissen Wartungsstau“ bescheinigt und Schloz eine Mängelliste ausgehändigt wurde, kaufte er sein Traumauto ohne Zögern – und ist nach wie vor überglücklich damit. 221 kW (300 PS), 3,3-Liter-Heckmotor, luftgekühlt, sechs Zylinder, Vier-Gang-Schaltgetriebe. „Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei ungefähr 270 Stundenkilometern, aber die habe ich noch nie ganz ausgefahren.“ Außen schwarz, eine geschwungene Silhouette mit ausladendem Heckspoiler. Innen schwarze Vollleder-Ausstattung und klassische runde Analog-Instrumente. „Von diesem Auto sind meines Wissens nur 272 Stück gebaut worden, es ist ein sehr seltenes Serienmodell“, erklärt der Porsche-Sammler.
Wenn Harald Schloz von seinem Targa spricht, schwingt die Begeisterung eines echten Porsche-Liebhabers in seiner Stimme. „Eigentlich ist das Auto total zahm“, so der Hobby-Rallyefahrer. „Bis etwa 3.500 Umdrehungen erreicht man keine großen Geschwindigkeiten, das liegt am Turboloch.“ Oberhalb einer Drehzahl von 3.500 bis 4.000 Umdrehungen aber, wenn der Turbo vollen Druck hat, „wird der Wagen wahnsinnig schnell“, schwärmt Schloz. Genau dieser Kick macht Spaß. Das Fahrgefühl ist sehr ursprünglich. Man sitzt tief, durch das straffe Sportfahrwerk ist der Kontakt zur Straße direkt. Dazu kommt der kraftvolle Motorsound, den Schloz so gerne hört: Das ist Sonntagsmusik in seinen Ohren.
Aus der Garage geholt wird der Turbo Targa nur zu besonderen Gelegenheiten. Etwa, um in den Urlaub zu fahren. Oder, so wie jetzt, zu einer Ausfahrt auf den Spuren von Hermann Hesse. Am liebsten auf Landstraßen. Schloz: „Auf diese Weise wird das Auto vernünftig bewegt, und ich erfahre gleichzeitig etwas über einen der wichtigsten deutschen Schriftsteller.“ Hesse, von dem Werke stammen wie „Das Glasperlenspiel“, „Siddhartha“ oder „Der Steppenwolf“ – letzterer Roman ist dieses Jahr neben anderer Weltliteratur Thema im Deutsch-Abitur – war seiner Heimat innig verbunden.
Es gibt für Harald Schloz eine Menge Parallelen zwischen Porsche und Hesse. Und die lassen sich direkt vor seiner Haustür erkunden. Die Hesse-Route schlängelt sich über Tübingen durch den Schwarzwald bis zum Bodensee, wo Hesse in Gaienhofen ein Haus besaß. Wenn Schloz von seinem Targa spricht, spricht er viel über Charakter. Und Philosophie. Schon ist er wieder bei Hesse, da kommt eben der Lehrer durch: „Auch dessen Werke, ob Gedichte oder Erzählungen, zeichnen sich durch eine zeitlose Faszination aus.“
In „Unterm Rad“ schreibt Hesse auch über das Kloster Maulbronn, in das er als 14-Jähriger als Seminarist eingetreten war. Das Zisterzienserkloster, UNESCO-Weltkulturerbe, gilt als die am besten erhaltene mittelalterliche Klosteranlage nördlich der Alpen. „Weitläufig, fest und wohl erhalten stehen die schönen alten Bauten und wären ein verlockender Wohnsitz, denn sie sind prächtig, von innen und außen, und sind in den Jahrhunderten mit ihrer ruhig schönen, grünen Umgebung edel und innig zusammengewachsen“, so Hesse über das Kloster.
Mit Frischluftzufuhr lässt sich an milden Tagen diese Landschaft zwischen bewaldeten Hügeln, Feldern, Wiesen und kleinen Seen am besten genießen. Schloz ist in seinem Element: „Enge Kurven sind ein bisschen schwierig zu fahren. Aber es macht großen Spaß, das Auto hat eine super Straßenlage. Man muss eben richtig schalten können.“ Elektronische Helfer wie heutzutage üblich findet man in diesem Klassiker nicht. „Es gibt weder Servolenkung noch ABS oder ESP – das ist noch Autofahren pur“, erklärt der kernige Schwabe.
Mitten in Tübingen dann, der Universitätsstadt am Neckar, steuert Schloz das schmucke Fachwerkhaus am Holzmarkt 5 an, in dem Hermann Hesse von 1895 bis 1898 eine Buchhändlerlehre absolvierte. J. J. Heckenhauer ist eines der ältesten Antiquariate Deutschlands, seit 1880 in Familienbesitz. Ob Hesse eine besondere Beziehung zu Autos hatte? „Das weiß ich nicht“, sagt Harald Schloz, „aber ich könnte es mir vorstellen, so freiheitsliebend wie der Dichter war.“ Was sie beide verbinde, sei aber die Beziehung zu Tübingen: „Ich habe in Tübingen studiert, und ich kenne wenige Orte in der Gegend, in denen man so entspannt ausgehen kann.“
Ein Café am kopfsteingepflasterten Tübinger Marktplatz mit dem bemalten Rathaus ist an diesem Ausflugstag der richtige Ort, um eine Pause zu machen. Hier erzählt Harald Schloz mehr von seinem Targa. Rund 25.000 Euro hat er über die Jahre in seinen Klassiker gesteckt. Mängel gibt es nun keine mehr: Getriebe, Kupplung, Bremsen, diverse Verschleißteile, alles neu. Und er erzählt, mit welcher Sorgfalt er den Wagen pflegt, entstaubt, von Hand wäscht und poliert: „Das hat für mich etwas Meditatives.“ Der Aufwand lohnt: Heute ist das Auto ein Mehrfaches seines Anschaffungspreises wert. „Ich werde ihn aber auf keinen Fall verkaufen“, sagt der Stuttgarter Lehrer, „der 911 Turbo Targa bedeutet ein Stück Freiheit für mich, ich habe schon viel mit diesem Auto erlebt.“
Höhepunkt der Hesse-Tour ist die Schwarzwaldstadt Calw, Geburtsort des Literaturnobelpreisträgers. Gegenüber des Rathauses steht am Marktplatz 6 das mehrgeschossige Geburtshaus Hesses als Teil des bestens erhaltenen Fachwerk-Ensembles im historischen Stadtkern.
Schloz parkt seinen Porsche direkt vor dem Modegeschäft der Hausbesitzerfamilie, das sich im Erdgeschoss des Gebäudes befindet. „Wir haben das Hesse-Haus 1984 gekauft“, erzählt Seniorchef Hermann Schaber, 81, der mit seinem Sohn Piet Schaber, 55, die Räumlichkeiten nach und nach wieder in den alten Zustand versetzt hat. Piet Schaber zeigt das Gästebuch: „Vor einiger Zeit war ein Kamerateam aus Thailand hier, es kommen auch Literaturinteressierte aus Japan, Korea oder Indien.“ Ein immer wiederkehrender Gast ist den Schabers über die Jahre besonders ans Herz gewachsen: Udo Lindenberg. Der Rockveteran hat im Dezember 2006 in Calw eine kulturpolitische Stiftung gegründet, „um den Steppenwölfen unter den MusikerInnen und SongtexterInnen eine neue Plattform zu bieten und Hermann Hesses Dichtung mit Musik zu verbinden.“
Am 27. Juli tritt Lindenberg im Rahmen des Calwer Klostersommers beim Hermann-Hesse-Festival im Kreuzgang der Klosterruine Hirsau auf – dieses kleine, feine Konzert ist, wen wundert’s, längst ausverkauft. Die Schabers werden den Rockmusiker bei dieser Gelegenheit wie schon einmal in die Hesse-Wohnung einladen und ihm und seiner Crew die Räumlichkeiten als „Panikzentrale“ während seines Aufenthalts in Calw anbieten.
Nach diesem erlebnisreichen Ausflugstag sieht man deutlich: Oldschool oder in Vergessenheit geraten ist der meistgelesene deutsche Autor des 20. Jahrhunderts ebenso wenig wie Udo Lindenberg oder der Klassik-Porsche von Harald Schloz. Sondern ganz im Gegenteil – diese Dinge sind etwas für Kenner.
LINKS UND TIPPS
Geburtshaus von Hermann Hesse
Das Geburtshaus von Hermann Hesse befindet sich am Marktplatz 6 in Calw. Hesse kam hier am Montag, dem 2. Juli 1877, in der Wohnung in der zweiten Etage zur Welt.
www.hermann-hesse.de/biografie/lebensstationen/calw
Hermann-Hesse-Museum
Außer dem Geburtshaus von Hermann Hesse gibt es in Calw auch ein Hermann-Hesse-Museum mit Europas größter Dauerausstellung über den Dichter.
www.facebook.com/HermannHesseMuseum
www.hermann-hesse-museum.de
Hesses Lehrjahre
Von 1895 bis 1898 absolvierte Hermann Hesse eine Buchhändlerlehre bei J. J. Heckenhauer in Tübingen, Holzmarkt 5.
www.heckenhauer.de/firmengeschichte.htm
Verbrauchsangaben
Macan 4 Electric
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21,1 – 17,9 kWh/100 km
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0 g/km
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A Klasse