«Meine Schwester war immer
für Neues zu haben»

Porsche Schweiz: Die Zürcherin Jolantha Maria Tschudi war 1948 die erste Frau, die einen Porsche kaufte, ein Beutler-Cabrio mit der Chassisnummer 356/2-002. Ein Gespräch mit ihrem Bruder Christian, 87, der das Fahrzeug von seiner Schwester übernehmen konnte.

      

Noch im Sommer 1948, bevor der erste Porsche in der Schweiz eingetroffen war, suchte der umtriebige Bernhard Blank nach einer Möglichkeit, das Fahrzeug auch als Cabriolet anbieten zu können. Es heisst, er habe ein Fahrzeug mit einer Karosserie der Gebrüder Beutler aus Thun gesehen – und sich dann sofort mit ihnen in Verbindung gesetzt. Ernst Beutler besichtigte das Fahrgestell in Zürich und war sofort begeistert von der Einfachheit und Qualität des Chassis; er besuchte umgehend den Betrieb in Gmünd, um sich die nötigen Daten und Anweisungen aus erster Hand zu holen. Schon im Juli 1948 entstanden die ersten 1:1-Zeichnungen, die zur Prüfung nach Gmünd gesandt wurden. Erwin Komenda, zuständig für den Karroseriebau, war überzeugt von den Entwürfen und die Freigabe für einen ersten Prototyp wurde erteilt. Beutler erinnert sich, dass ihn Prof. Porsche, G. Kaes und E. Komenda kurz darauf in Thun besuchten; die Herren schienen mit der Arbeit von Beutler sehr zufrieden gewesen zu sein, der Auftrag für fünf weitere Cabrios wurde über Blank erteilt.


Wie kam Ihre Schwester dazu, einen Porsche zu kaufen? Das war doch damals, 1948, sehr aussergewöhnlich?

Meine Schwester war immer für Neues zu haben. Sie ist auch sehr viel gereist und kam in Länder, in die andere Menschen damals nicht kamen - sie war wahrscheinlich eine der ersten, die bei den Touareg gelebt hatte. Zum ersten Mal von den neuen Porsche gehört hatte sie von einem Cousin, mit ihm zusammen ging sie ihn sich dann auch anschauen.

Wissen Sie noch, wie das damals abgelaufen ist, dieser Kauf, wie viel der Wagen kostete?

Ich war ja erst 17, ich war da nicht dabei. Aber ich weiss, dass er 15’000 Franken gekostet hat, das war damals sehr, sehr viel Geld. Die Karosserie stammte von Beutler. Gekauft hat sie den Wagen bei Bernhard Blank, der hatte eine ganz kleine Garage in der Nähe des Kreuzplatzes.

Hat Ihre Schwester eine Probefahrt gemacht?

Nein, sie hat den Porsche gleich gekauft. Man wusste ja, wer Ferdinand Porsche war, da musste sein Auto ja unbedingt in Ordnung sein.

Hatte da vielleicht auch Max Troesch einen Einfluss? Troesch kannte ja auch noch Ihren Vater? 

Auch ich bin viel mit Max Troesch unterwegs gewesen. Wir waren zusammen in England, in Schottland, auch in Italien, immer gingen wir Auto-Werke anschauen.

Jolantha Maria Tschudi, geboren 1925, war eine Tochter aus sehr gutem Haus, ihr Vater hatte 1928 die AMAG gegründet (die dann 1945 als NEUE AMAG an Walter Haefner verkauft wurde). Die junge Dame war eine Berühmtheit in Zürich, Sportfliegerin, Forschungsreisende. Bernhard Blank nahm ihr Geld gerne entgegen, sagte ihr aber auch, dass das Fahrzeug zuerst auf dem Genfer Salon 1949 ausgestellt werden müsse, sie es aber unmittelbar danach erhalte. Fräulein Tschudi war einverstanden; der dunkelblaue Porsche wurde auf sie eingelöst (ZH 44035) und erregte in Genf grosses Aufsehen.


Als Ihre Schwester das Fahrzeug dann übernehmen konnte – erfüllte es ihre Erwartungen?

Das Fahrzeug hatte ganz viele Kinder-Krankheiten. Vor allem der Motor von Volkswagen wollte nicht richtig. Er wurde noch etwas «aufgepumpt», aber er wollte trotzdem nicht so richtig laufen. Ich bin stundenlang damit herumgefahren und habe versucht, die Zündung einzustellen, aber entweder lief er mit zu viel Vorzündung und «klingelte» beim Beschleunigen oder zu wenig Vorzündung (und beschleunigte wie ein «faules Ei»). Dann sassen wir aber später einmal zusammen bei Blank, auch Ferry Porsche war da, und dann sagten die Porsche-Leute: gut, wir wechseln den Motor aus. Wir fuhren deshalb dann selber nach Stuttgart.

Gibt es noch Anekdoten aus dem Leben dieses Fahrzeugs?

Einmal hat meine Schwester auf dem Julier einen Randstein erwischt. Das Auto war derart beschädigt, dass man es nicht mehr fahren konnte. Danach hatte sie dann endgültig genug von diesem Porsche. Etwas später konnte ich ihn dann übernehmen.

Hat Ihre Schwester danach wieder einen Porsche gekauft?

Nein, sie brauchte ein Fahrzeug, mit dem sie ihr Segelflugzeug ziehen konnte.

Wo haben Sie damals den Service machen lassen?

Das ging dann sehr schnell, dass Blank die Vertretung nicht mehr hatte. Da kam dann die AMAG mit Haeffner – der hatte das schnell erkannt, die Porsche sind Autos, an denen sich viel Geld verdienen lässt.

Und wie waren dann Ihre Erfahrungen mit dem Porsche?

Ja, bestens, es war ein feines Fahrzeug. Ich habe ihn oft gebraucht. Er hatte allerdings eine Unart: Wenn man rechts durch eine Pfütze fuhr, dann wurde der Beifahrer klatschnass. Einmal hatte ich jemanden mit dabei auf einer Fahrt ins Tessin, den ich nicht besonders mochte – da bin ich dann einige Male extra durch Pfützen gefahren.

Besassen Sie später noch mehrere Porsche?

Als nächsten Porsche hatte ich einen 1500er. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich die 002 dafür eingetauscht habe, er war dann einfach nicht mehr da. Den 1500er habe ich bei einem Bergrennen auf die Vue des Alpes in einer Hausecke parkiert – ich dachte damals, ich sei ein ganz grossartiger Fahrer. Wir haben dann den Motor aus- und in einen Käfer eingebaut, dann hatte ich da etwa 60 anstatt 40 PS. Danach kaufte ich einen 1300 Super – den ich nicht kaputt gemacht habe.

Christian Tschudi ist da vielleicht etwas zurückhaltend, denn der heute 87-Jährige war in seinen jungen Jahren ein ausgezeichneter Rennfahrer, und errang mehrere Klassensiege auf Porsche. Dass er auch heute noch einen «schweren Fuss» hat, beweist er unmittelbar nach dem Gespräch über seine Schwester. Mit einem Lausbubenlächeln setzt er sich in den neuen Porsche 911 Carrera T, der vor seinem Anwesen geparkt hat. Und verlangt nach dem Schlüssel, fragt, ob er eine kurze Runde drehen dürfe. Und dann dreht er den neuen 911er im ersten Gang gleich mal aus - und kommt eine Viertelstunde später mit einem Grinsen im Gesicht von der Probefahrt zurück. Gelernt ist gelernt, erzählt Tschudi: «Als mein Vater starb, war ich erst 13. Aber jemand musste sich ja um die Autos unserer Familie kümmern…»