Schneller, höher, digitaler
Fußball. Golf. Tennis. Seit vielen Jahren engagiert sich Porsche in diesen Sportarten und fördert Talente. Wie die Industrie ist auch der Spitzensport im digitalen Zeitalter angekommen.
Lindenau, ein Stadtteil im Westen der sächsischen Metropole Leipzig. Tausend Jahre ist er alt, früher ein bedeutendes Industrierevier, dann, nach dem Zerfall während der Nachkriegs- und Nachwendezeit, Aufstieg zur Aufbruch-Fußballgemeinde der Nullerjahre. Dort, am Cottaweg, residiert der Bundesligist RB Leipzig, das deutsche Durchmarschwunder – von der Oberliga in die europäische Champions League. Wer wissen will, wie sehr sich der professionelle Sport in diesem internationalen Multi-Millionen-Geschäft verändert hat, sollte dem Trainingsgelände des Klubs, eine unspektakulär aussehende Miniarena mit zehn Metern Durchmesser, zweieinhalb Meter hohen Wänden und Kunstrasen auf dem Boden, einen Besuch abstatten.
Schon von draußen hört man, wie Schüsse an die Innenwände klatschen. Die beiden U13-Nachwuchstalente Elias und Julius absolvieren gerade eine Trainingseinheit, bei der virtuelle Tore auf die Wände projiziert werden. Aufgabe der Jungkicker ist es, binnen zwei Sekunden in das jeweils optisch hervorgehobene Tor zu treffen. „Der Soccerbot soll die Wahrnehmungs- und Handlungsschnelligkeit schulen – zwei Faktoren, die für unsere Spielphilosophie enorm wichtig sind“, sagt der ehemalige Trainer Alosha Shpilevski, der mittlerweile Cheftrainer beim weißrussischen Erstligisten Dinamo Brest ist. Die Ergebnisse werden gespeichert und mit denen früherer Übungseinheiten verglichen. So werden Erfolge wahrscheinlicher gemacht.
90
Quadratmeter misst die Fläche im Rund des Soccerbot360.
18.000
Trainingsintervalle wurden in etwas mehr als einem Jahr bei RB Leipzig mit dem Soccerbot360 absolviert.
320.000
Pässe wurden von den Kickern dabei gespielt.
300 Meter Luftlinie von der Soccerbot-Halle entfernt sitzt Ralf Rangnick im Stadion des RB Leipzig. Der ehemalige Sportdirektor und für die Saison 2018/19 wieder Trainer des Vereins wäre sicher irritiert, wenn man ihn als „Datenjunkie“ bezeichnen würde. Gleichwohl weiß Rangnick als Bundesliga-Erfolgstrainer genau, dass in seiner Branche ohne Digitaltechnologien so gut wie nichts mehr geht. „Big Data ist im Fußballgeschäft längst Realität. Früher gab es einen Laktattest pro Saison“, sagt der 60-Jährige und meint damit seine Anfangszeit als Trainer Mitte der 1980er-Jahre. „Jetzt werden jeden Tag Blutwerte gemessen und das Befinden jedes einzelnen Spielers gecheckt.“ Das RB-Team sammelt die Daten aller Trainingseinheiten mithilfe von Sendern in den Laufwesten der Profis. Anschließend erstellt ein Analyst in Zusammenarbeit mit den Athletik-Trainern der Erstligamannschaft die Belastungssteuerung jedes Spielers für den kommenden Trainingstag. Zudem übermitteln die Daten dem Cheftrainer rechtzeitig, wenn ein Spieler am nächsten Spieltag eine Pause benötigt.
„Big Data ist im Fußballgeschäft längst Realität. Früher gab es einen Laktattest pro Saison.“ Ralf Rangnick
Big Data hilft den Trainern jedoch nicht nur dabei, Vitaldaten auszulesen oder Spielsituationen zu schematisieren. Auch der Trainingsalltag verändert sich radikal: Bei RB Leipzig wird jede Übungseinheit aus der Vogelperspektive gefilmt und archiviert. Aus dem Material schneiden die Betreuer „spielgerechte Szenen“ zusammen, die den Spielern unmittelbar vor einem Pflichtspiel gezeigt werden, um sie gezielt auf besondere Aspekte der anstehenden Partie zu konditionieren. Zudem erhält jeder Spieler auf ihn zugeschnittene Videos auf sein Handy geschickt – einerseits, um ihm persönliche Optimierungspotenziale anzuzeigen. Andererseits arbeiten die Clips typische Verhaltensweisen potenzieller Gegenspieler heraus, damit sich der RB-Kicker perfekt auf diese einstellen kann. Und auch der nächste Schritt ist in Leipzig schon in Vorbereitung: eine App, über die nicht nur Daten und Videos verbreitet werden können, sondern künftig auch die Teamkommunikation läuft. Eine ähnliche App nutzt schon jetzt Ligarivale TSG 1899 Hoffenheim. Und auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) setzte sie beim WM-Triumph der Nationalmannschaft 2014 in Brasilien erstmals ein.
Der Manager des Baseballteams Oakland Athletics, Billy Beane, im Hollywood-Klassiker Moneyball (2011) gespielt von Brad Pitt, formte bereits Ende der 1990er-Jahre mittels mathematischer Analysen eines der besten Teams in der Geschichte des amerikanischen Baseballs. Statt auf seine besserwisserischen Talent-Scouts und deren wenig fundiertes Bauchgefühl zu hören, heuerte er einen jungen Yale-Absolventen an, der alle infrage kommenden Spieler auf ihre bisherige spielerische Qualität hin abklopfte – auch die vermeintlich ausgemusterten: Wie oft waren sie mit einem bestimmten Wurf, Schlag oder Spielzug tatsächlich erfolgreich? Das Ergebnis: Dem unterfinanzierten Team gelang Anfang der Nullerjahre eine historische Serie von 20 Siegen in Folge, obwohl der Verein vor Saisonbeginn seine besten Spieler zu vermeintlichen Topclubs hatte ziehen lassen müssen.
Golf: Ideale Putt-Linie projiziert
34
Mal wird auf einer Golfrunde der Putter genutzt – häufiger als jeder andere Schläger.
2006
wurde erstmals die Benutzung von digitalen Entfernungsmessern bei Golfturnieren zugelassen.
7.165
Meter lang ist der Platz, auf dem die Porsche European Open 2018 ausgetragen wurden.
Es gibt immer mehrere Möglichkeiten, den Ball zu spielen.
Wichtig ist die beste.
Anders als Fußballprofis sind Golfspieler, die den Sport auf Profi- oder hohem Amateurniveau ausüben, schon lange an digitale Assistenten gewöhnt – auch wenn ihr Einsatz bei offiziellen Turnieren beschränkt ist. Laser etwa messen die Entfernungen von der Position des Balls bis zum anvisierten Ziel, einschließlich Luftlinie und den für die Schlaglänge relevanten Höhenunterschieden der Bahn. So weiß der Spieler auf einen Blick, mit welchem Schläger er am besten das Ziel erreicht, ob sich der Ball mit dem 7er-Eisen tatsächlich nach 122 Metern an das Loch bringen lässt oder doch über das Grün hinausschießt.
Radargestützte, tragbare Systeme zur digitalen Analyse von Golfschwüngen unterstützen Golfer aller Leistungsklassen. Sie analysieren jeden Schlag bis ins Detail. Wie etwa lässt sich die zu weite Öffnung des Schlägerblatts korrigieren, die den Ball nicht geradeaus, sondern nach rechts treibt? Ebenso kann man Schwungbahn, Schlägerkopf- sowie Ballgeschwindigkeit messen und darstellen – und natürlich auch die Distanz eines Schlags.
„Wir überlagern die Realität mit virtuellen Informationen.“ Lukas Posniak
Der wichtigste Schlag bleibt der Putt. Laut US-Fachmagazin Golf Digest bemüht ein Spieler auf einer 18-Loch-Runde 34-mal seinen Putter, um den Ball auf dem Grün ins Loch zu manövrieren. Kein anderer Schläger kommt häufiger zum Einsatz. Die Hamburger Lukas Posniak und Christoph Pregizer sind Anfang 30 und bieten das derzeit innovativste Trainingssystem fürs Putten. „Puttview“ funktioniert mit erweiterter Realität; die Idee dazu kam Ingenieur Pregizer beim Kurzspieltraining: Wäre es nicht hilfreich, die Ideallinie zu visualisieren, die der Ball auf dem Grün ins Loch nehmen muss? „Wir überlagern die Realität mit virtuellen Informationen“, sagt Posniak. Heißt: Zunächst wird das Grün per Laser oder Drohne vermessen, dann eine 3-D-Maske errechnet, die man an einem Punkt fixiert. Abschließend wird der Spieler entsprechend „kalibriert“. Während beim Indoor-Training ein Beamer die Linie auf das künstliche Grün zaubert, nutzt der Proband im Freien eine Augmented-Reality-Brille. Der Nutzen? „Wenn man im Training ohne Anzeige der Linie puttet und sie sich anschließend einblenden lässt, sieht man genau, worin der Fehler lag“, sagt Posniak.
Tennis: Gegneranalyse auf dem Tablet
Szenenwechsel: der Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart, Stelldichein der Damen-Weltklasse. In einem 25 Quadratmeter großen Raum im obersten Rang der Porsche-Arena zeigen an einer Wand 16 Monitore laufende Matches aus verschiedenen Perspektiven. Rechts davon auf zusammengerückten Tischen: Laptops, auf deren Bildschirmen Balkendiagramme flirren. Überall Kabel und Taschen, in einer Ecke stapeln sich Kartons, dennoch behalten die Mitarbeiter von Flightscope in diesem Gewirr den Überblick. Müssen sie auch: Das Unternehmen erhebt im Auftrag der Spielervereinigungen Association for Tennis Professionals (ATP) für männliche und Women’s Tennis Association (WTA) für weibliche Profispieler bei Turnieren den offiziellen Live-Score.
Mithilfe der Flightscope-Software gibt der Stuhlschiedsrichter den Stand seines Matches in ein Tablet ein. Ein Server verteilt die Daten zum Beispiel an TV-Sender oder – wie in Stuttgart – als fixe Datensätze für das Hallenfernsehen auf Leinwände oder den TV-Würfel hoch über dem Center Court. Auch die dort angezeigten Aufschlaggeschwindigkeiten der Spielerinnen resultieren aus kamerabasierten Daten.
Milan Cerny liebt solche Spielereien, noch mehr aber liebt er ihr gewaltiges Potenzial. Deshalb hat der Innovationschef von SAP Global Sponsorships mit seinen Kollegen eine einzigartige On-Court-Coaching-Lösung für Trainer geschaffen, die cloudbasierte App „SAP Tennis Analytics for Coaches“. Bei Turnieren wie in Stuttgart stellt SAP allen Trainern ein Tablet zur Verfügung, auf dem die Daten alle 15 Sekunden aktualisiert werden. Echtzeitdaten dürfen wegen der Gefahr von Wettmanipulationen nicht genutzt werden.
Angelique Kerber lernte mit der SAP-App, offensiver zu agieren.
„Noch vor vier Jahren habe ich meine Gegneranalysen während eines Matches von Hand umständlich zu Papier gebracht“, sagt Wim Fissette, Trainer der Porsche-Markenbotschafterin Angelique Kerber. „Heute gibt mir diese App alles, was ich brauche, auf einen Blick.“ Sie bereitet nicht nur Informationen zum aktuell laufenden Match in verschiedenen Optiken auf, sie funktioniert auch als historisches Gedächtnis: Wo etwa platziert eine Spielerin auf dem Platz in der Regel ihren ersten Aufschlag? Wie schnell sind diese Bälle? Und von welcher Position kommt der beste Return? Mathematik regiert mit – oder wie der ehemalige Sharapova-Trainer Sven Groeneveld sagt: „Wenn ich Maria die reinen Fakten präsentieren kann, nimmt das jegliche Emotionalität aus der Sache heraus. Zahlen lügen nicht.“
Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Weil allen Spielern und Trainern dieselben Daten zur Verfügung stehen, gibt es im Zeitalter der gläsernen Spieler keine gut gehüteten Geheimnisse mehr – und das ist die eigentliche Herausforderung. Die Konsequenz? „Du musst mehr Variation ins Spiel bringen“, sagt Fissette. Neue, überraschende Matchpläne. Nur eines ändert sich nicht: „Am Ende“, so der Kerber-Coach, „muss deine Spielerin auf dem Platz einfach besser sein als die Gegnerin.“