„70 Jahre Porsche Sportwagen“
an einem Tag

Porsche Schweiz: Wie lässt sich der Reiz eines Sportwagens von Porsche am besten vermitteln? Mit einem Roadtrip über drei atemberaubende Schweizer Passstrassen. Unterwegs mit acht Schlüsselmodellen aus 70 Jahren Porsche-Geschichte.

Drei Pässe in sieben Sportwagen

Mit hellem „Klick!“ schnappt die Tür zu. Alles so schön rot hier. Die ledernen Sitzschalen umfangen nur den nötigsten Teil des Rückens und würden auch im Ensemble mit einem Nierentisch der 1950er-Jahre ein gutes Bild abgeben. Der Schalthebel knickt sich von ganz weit vorne Richtung rechter Hand, das hauchdünne Lenkrad wagt man kaum fest anzufassen. Ein wenig vorrutschen mit dem Sitz, die Spiegel händisch zurechtrücken – der Porsche 356 Speedster ist startbereit.

Zeitgeist der 1950er-Jahre:

Zeitgeist der 1950er-Jahre:

Rotes Leder, viel Chrom, analoge Uhren und Zugschalter im Cockpit des 356 Speedster von 1955. Und ein filigranes Bakelit-Lenkrad, dass auch einen festen Griff verträgt.

Unterwegs auf schmalen Strassen, über die schon die ersten Porsche rollten.

Schauen ist das eine, fahren, fühlen und erleben das andere. Geschichte lässt sich im Museum vermitteln, aber die Faszination der Marke Porsche wird erst hinter dem Volant wirklich erfahrbar. Auf einem Roadtrip durch die Schweiz, abseits der breiten Asphaltbänder. Stattdessen auf jenen schmalen Strassen, über die schon die ersten in der Schweiz verkauften Porsche rollten. Letztere revolutionierten mit ihrem Design, ihrer Technik und ihrem Style das Fahrerlebnis. Wer vorher nur ankommen wollte, mochte nun nur mehr ungern aussteigen. Bewegung wurde das Ziel und das Ziel nur zu einem lästigen Stopp vor der nächsten Passstrasse.

Über sechseinhalb Stunden und über 300 Kilometer haben wir vor uns.

Genug Zeit und Musse, um in legendären Modellen aus 70 Jahren Porsche-Historie technischen Fortschritt und Fahrkultur zu erleben. Die Route führt uns vom Hotel Waldhaus Flims über den San-Bernardino-Pass nach Bellinzona, weiter Richtung Gotthard und über die alte Gotthard-Strasse bis zur Passhöhe und anschliessend über Disentis zurück nach Flims. Zum runden Markengeburtstag, exakt sieben Jahrzehnte, nachdem die Kärntner Landesregierung dem Unternehmensgründer Ferry Porsche seinerzeit die Zulassungsgenehmigung für seinen allerersten Sportwagen mit der Fahrgestellnummer 356-001 erteilt hat.

Heute bleibt das Verdeck unter der Persenning.

Mittelmotor, Vierzylinder-Boxermotor mit 35 PS aus dem VW Käfer, 585 Kilogramm Gewicht und eine Höchstgeschwindigkeit von 135 km/h: Mit diesen Daten beeindruckte der Ur-Porsche. Im Frühjahr 1949 kauft die Zürcherin Jolanda Tschudi als allererste Porsche-Kundin einen offenen Porsche 356. Unser 356 Speedster von 1955, der nun hinab ins Rheintal rollt, leistet bereits 55 PS aus 1,5 Litern Hubraum. Der US-Geschäftsmann Max Hoffman hört 1950 vom Schweizer Journalisten Max Troesch von Porsche, beginnt mit dem Amerika-Import und initiiert fünf Jahre später den offenen Speedster, bekannt als „American Roadster“, als günstige Variante mit Stahl- statt der Alukarosserie des 356-001. Das Mehrgewicht kompensieren ein leichtes Faltverdeck und das Weglassen von Handschuhfach, Sonnenblenden und Heizung – it never rains in Southern California. Und auch heute nicht, das Verdeck bleibt unter der Persenning. Rechts ab Richtung Bonaduz; der Speedster rumpelt über Kopfsteinpflaster. Gleich könnte man abermals rechts abbiegen – zum Weiler Carrera bei Valendas.

Ein Leistungsplus:

Ein Leistungsplus:

Der silberne 356 Speedster verfügt schon über 1500 Kubikzentimeter Hubraum und leistet bereits 55 PS – 18 mehr als der sechs Jahre ältere, ebenfalls offene 356-001.
Legenden unter sich:

Legenden unter sich:

Zwischen dem ersten Serien-356 und dem 911 Carrera RS 2.7 von 1972 liegen 24 Jahre. Doch in den Designdetails zeigen sich bei den Sportwagen zahlreiche Gemeinsamkeiten.

Carrera – Zeit für einen grossen Zeitsprung. Denn diesen Beinamen trägt als allererster Porsche überhaupt der 911 RS 2.7 Und schon sind wir im Jahr 1972 – kanariengelber Lack, nachtschwarzes Interieur, „Carrera“-Kleber an den Türen und vor allem: über dem Sechszylinder-Boxermotor mit – natürlich – 2,7 Litern Hubraum und 210 PS ragt ein Spoiler gen Himmel. Der erste an einem strassenzugelassenen Sportwagen. Nicht bloss ein vom Motorsport inspirierter Zierrat: Das „Entenbürzel“ getaufte Aerodynamik-Bauteil sorgt beim RS – wie „Rennsport“ – für die nötige Fahrstabilität bei hohem Tempo.

Im Jahr 1963 hatte Porsche mit dem ersten 911 die Ablösung der 356-Modelle vorgestellt. Über das Design gibt es Streit, aber schliesslich setzt sich Ferry Porsches Sohn Ferdinand Alexander mit jener charakteristischen Karosserieform durch, die heute jedes Kind zeichnen kann. Mit dem von Entwicklungschef Ferdinand Piëch konzipierten RS 2.7 erreicht der Elfer dann einen ersten Höhepunkt – und wir die Passhöhe des San Bernardino.

Der Über-Elfer ist als Basis für den Kundenrennsport gedacht – mit aufgebohrtem Motor, extradünnen Blechen und Scheiben und erstmals Mischbereifung. Für die Homologation wären nur 500 Exemplare für die Strasse nötig, doch die begeisterte Kundschaft bestellt und bestellt, bis schliesslich 1308 Exemplare der Komfort-Version namens „Touring“ vom Band laufen. Die leidenschaftliche Zuneigung lässt sich auch heute noch nachvollziehen. Heiser und rüpelig im Ton, wirbelt der RS 2.7 die Kehren hinauf. Die Kupplung braucht Kraft, aber die fünf Gänge lassen sich aus dem Handgelenk schalten. Dieses Auto soll 46 Jahre alt sein? Kaum zu glauben. Wir rollen neben dem Passschild auf 2047 Meter Höhe aus. Die Sonne brennt, aber kühl ist es an den Ufern des Laghetto Moesola.

Zeitenwechsel:

Zeitenwechsel:

Der 3,6 Liter grosse Sechszylinder des 964 leistet 250 PS, das Fahrwerk wurde komplett neu entwickelt und erstmals fährt der Heckspoiler automatisch ab Tempo 80 aus.

Im G-Modell gen Bellinzona

Wechsel ins weisse Coupé hinter uns. Ein Jahr nach dem RS 2.7 wird 1973 der 911 grundlegend zur G-Serie überarbeitet. Die Karosserie wird nur im Detail modernisiert; die Stossfänger werden zur Erfüllung der US-Crash-Normen mit Dämpfern ausgerüstet und zwischen den Heckleuchten zieht sich ein Leuchtband. Bis 1989 nach knapp 17 Jahren genau dieses 911 Carrera 3.2 Coupé als letztes produziertes G-Modell vom Band läuft, ist die Leistung des Sechszylinder-Boxers von 150 auf bis zu 231 PS gestiegen. Und man spürt den Fortschritt: Heizung und Lüftung lassen sich komfortabler bedienen, Sitze und Lenkung sind auf Langstreckentauglichkeit hin optimiert. Was bleibt, ist der wunderbar heisere Ton, der beim Abstieg gen Misox von den Felsen widerhallt. Und der sich im gleich motorisierten G-Modell-Cabriolet auf dem nächsten Teilstück noch viel intensiver geniessen lässt.

Der heisere Ton des G-Modells hallt beim Abstieg von den Felsen wider.

Nun aber schaut man besser hinaus – denn das ist nötig beim Anstieg aus dem Stadtzentrum Bellinzonas hinauf zum Castello di Sasso Corbaro. Die Strasse wirkt wie in den Berg gemeisselt, Gegenverkehr wird zur Millimeterarbeit hinter dem Lenkrad, aber die Osteria im Hof entschädigt ebenso für den Nervenkitzel wie der atemberaubende Blick hinunter in die Ebene und zum Lago Maggiore. Der luftgekühlte Boxermotor im Heck des G-Cabrio knackt vor sich hin; seine Türen schliessen mit dem gleichen „Klick!“ wie beim Speedster. Beim Mittagessen liegen schon 41 Jahre Porsche-Geschichte hinter uns. Und danach die nächste Generation vor uns. Schon 1988 präsentierte Porsche die Baureihe 964, die nächste Evolutionsstufe des Elfers. Natürlich blieb es auf dem Heck beim bekannten Namen. Den 911 umbenennen? Das würde kein Kunde mitmachen, bis heute. Dennoch markiert der 964 einen deutlichen Einschnitt: Rund 85 Prozent aller Bauteile sind neu entwickelt.

Der 964 markiert 1988 einen deutlichen Einschnitt.
Entscheidend für die Schweiz: Er wird auch mit Allradantrieb angeboten.

Paradestrecke:

Paradestrecke:

Chronologisch aufgereiht vom 356 Speedster bis zum aktuellen 911 GT2 RS geht es auf der Südseite des San Bernardino hinab ins Misox und gen Bellinzona.

Schweizer Roadtrip abseits breiter Asphaltbänder.

Sein 3,6 Liter grosser Sechszylinder verfügt über Doppelzündung und leistet 250 PS, das Fahrwerk wird komplett neu entwickelt und erstmals fährt der Heckspoiler automatisch ab Tempo 80 aus. Entscheidend für den Schweizer Markt wird aber der erstmals angebotene Allradantrieb, bei dem das Drehmoment für überlegene Traktion per Elektrohydraulik variabel zwischen Vorder- und Hinterachse verteilt wird. Den Spurt auf Tempo 100 absolviert unser 964 Carrera 4 Coupé in 5,7 Sekunden; der Antritt auf der Auffahrt zur A2 gen Gotthard-Massiv lässt das ansatzweise spüren.

Ja, Autobahn, nur für ein kurzes Stück bis Giornico, dann rollen wir wieder durch die Dörfer. Im Innern schaut der 964 schon beinahe gegenwärtig aus. Nur die Polsterfarbe – ein lila-lastiges Bordeaux – zeugt vom Zeitgeister der späten Achzigerjahre. Plötzlich rumpelt es unter den Pneus; der Allradantrieb drückt den Elfer in die ersten Kopfsteinpflaster-Kurven der Tremola, der alten Gotthard-Passstrasse, die sozusagen punktgenau nach der Wintersperre wieder geöffnet wurde. Oberhalb vom Waffenplatz Airolo wechseln wir dann doch auf die Kantonalstrasse, die sich in weiten Windungen bergan schwingt und faszinierende Ausblicke eröffnet.

Die Faszination der Marke Porsche wird erst hinter dem Volant wirklich erfahrbar.

Gotthardpasshöhe, sammeln zum letzten Drittel. Kalt fegt der Wind über die letzten Schneereste – jetzt vielleicht lieber kein Cabrio, bitte. Wir steigen um in ein weiteres silbernes 911 Coupé – den Typ 993, das letzte der luftgekühlten Porsche-Modelle. Schon 1993 löst er den 964 ab, mit mindestens 272 PS Leistung und modernisierter Form. Vielleicht nicht der begehrteste unter den klassisch luftgekühlten Elfern, aber sicher der technisch ausgereifteste. Wir rollen hinab nach Andermatt. Wo bei seinen Vorgängern die Lenkung noch eine harte Hand erfordert, lässt sich der 993 wie von selbst bergab kurbeln. Statt in Richtung der spektakulären Teufelsschlucht halten wir uns rechts, gen Oberalppass und Tavetsch.

Über den Oberalppass im 996

Vorletzter Fahrzeugwechsel. Ab jetzt feiern wir die runden Geburtstage des Porsche 911 – zuerst im Jubelmodell zum 40. Geburtstag. Im Jahr 2003 lancierte Porsche auf der Grundlage der ersten Generation mit wassergekühltem Boxer den 911 Carrera „40 Jahre Porsche 911“. Den Lackton in Silbermetallic spendierte der Über-Porsche Carrera GT, dazu kommen Lederinterieur, Sportfahrwerk und die elektronische Stabilitätskontrolle PSM. Und eben: ein wassergekühlter Sechszylinder. Mit der Lancierung dieser 996 genannten Elfer-Generation setzt Porsche 1998 nach einem halben Jahrhundert der ausgereizten Luftkühlung ein Ende – verschärfte Lärm- und Emissionsvorschriften forderten ihren Tribut. Aber sie bescheren auch einen Leistungssprung auf 300 beziehungsweise 345 PS beim Jubiläumsmodell.

Der 991 schloss ein halbes Jahrhundert Elfer ab.

Jubiläumsmodell:

Jubiläumsmodell:

Der 911 „50 Jahre 911“ markiert 2013 fünf Jahrzehnte der Sportwagen-Legende. Doch auch noch nach 50 Jahren fügt sich sein Heckdesign nahtlos in das der Vorgänger-Generationen ein – eine Ikone.

Räder à la Fuchsfelge und Sitze im Pepita-Dekor schlagen die Brücke.

Dem spürt man kaum sein Alter an – es fährt sich so leichtfüssig wie sein aktuelles Pendant. Die Kreissägen-Nuancen im Ton blieben ihm erhalten, aber von seiner Heiserkeit wurde der Elfer in dieser Generation geheilt. Und machte damit einen grossen Schritt in Richtung erhöhtem Komfort und höherer Alltagstauglichkeit. Ortseingang Disentis, Zeit für den letzten Umstieg in den 2011 lancierten und noch immer aktuellen 991. Dem bescherte seine Position im Modellzyklus die Ehre, das erste halbe Jahrhundert des 911 abzuschliessen. Als Sondermodell „50 Jahre 911“ trägt er neben dem dezenten „50“-Emblem in Rot auf dem Heck spezielle Räder à la Fuchsfelgen, Sitze im Pepita-Dekor und – trotz Hinterradantrieb – das breite Heck der Allradmodelle. Auch er markiert einen Wendepunkt – als letzte tragen die Versionen Carrera und Carrera S in dieser Generation Sauger-Sechszylinder im Heck mit 400 oder 430 PS.

Mit schnatterndem Vierzylinder rollt der 356 Speedster von 1955 am Abend vor dem Eingang des Waldhaus Flims aus; hinter ihm reihen sich sechs der faszinierendsten Porsche 911 ein. Sieben Jahrzehnte Porsche liegen hinter uns und damit sieben Jahrzehnte technischer Fortschritt, typisches Design und vor allem: Freude am Unterwegssein. 70 Jahre an einem Tag. Man könnte sich daran gewöhnen.

Gesichter des Erfolgs:

Gesichter des Erfolgs:

Runde Scheinwerfer und hinreissende Wölbungen – das charakteristische Design des Porsche 911 findet sich in allen Generationen. Ob 991, G-Modell oder 993 (v.l.n.r.).

70 Jahre technischer Fortschritt, typisches Design und Freude am Unterwegssein liegen hinter uns.

Andreas Faust
Andreas Faust
Ähnliche Artikel