Alu, Aufladung und Allradantrieb

Porsche Schweiz: Aus der österreichischen Provinz auf die grossen Rennstrecken der Welt: Erfindergeist und die Leidenschaft der Ingenieure trieben Porsche in den letzten 70 Jahren zu immer neuen technologischen Höchstleistungen im Sportwagensektor. Die Schweiz leistete einen kaum zu überschätzenden Beitrag zu dieser Erfolgsgeschichte.

70 Jahre Porsche-Technik

Mit 70 Jahren könnte man sich für einmal zurücklehnen. Auf sieben erfolgreiche Jahrzehnte Rückschau halten. Und entspannt und zufrieden einfach geniessen; schliesslich gälte es ja auch, zahlreiche Erfolge Revue passieren zu lassen. Aber das würde eben der Unternehmensphilosophie von Porsche überhaupt nicht entsprechen. Vor 70 Jahren, im Juni 1948, begann im österreichischen Gmünd in bescheidenem Rahmen eine Erfolgsgeschichte, in deren Verlauf ein kleines Konstruktionsbüro zum grössten Sportwagenbauer der Welt aufstieg. Die ersten Exemplare des Porsche 356/2 Gmünd-Coupé basieren auf dem Porsche 356 „Nr. 1“ Roadster, einem Mittelmotorwagen, und wurden in einer ehemaligen Sägemühle in kompletter Handarbeit montiert. Bescheidene Anfänge auf den blanken Bodendielen eines Holzschuppens. Schon damals waren die gleichen Faktoren wie heute entscheidend für den Erfolg des Unternehmens: Design, Emotion und, vor allem, technische Innovation.

Liebe auf den ersten Blick:

Liebe auf den ersten Blick:

Leichtbau kompensierte im Rennsport die noch knappe Leistung des 356.

Doch dieser Unternehmensgeist allein hätte zum damaligen Zeitpunkt wohl dennoch nicht ausgereicht, um die sich zuvor mit Servicearbeiten und der Instandsetzung alter Militärlastwagen über Wasser haltende Firma auf Erfolgskurs zu bringen. Der Schweizer Architekt und Geschäftsmann Rupprecht von Senger und sein Financier Bernhard Blank erschlossen der jungen Marke die Schweiz und legten so den Grundstein, die technische Kompetenz auch in ökonomischen Erfolg umzumünzen. Schon 1947 hatte von Senger sich die Option auf fünf Exemplare des neuen Sportwagens für den Import in die Schweiz gesichert und kaum stand der Porsche 356 „Nr. 1“ Roadster auf seinen Rädern, holte er ihn in die Schweiz und startete eine Marketingkampagne.

Targa Florio 1964:

Targa Florio 1964:

Mit nur 715 Kilogramm Gewicht dank Stahlrahmen und leichter GFK-Karosserie holte der 185 PS starke 904 Carrera GTS den Gesamtsieg beim Langstreckenrennen auf Sizilien.
Motorsport treibt an:

Motorsport treibt an:

Mit dem erleichterten und verstärkten 911 R stellte Porsche 1968 einen neuen 20.000-Kilometer-Weltrekord auf. Seit jeher ist bei Porsche der Rennsport das Prüflabor für die Serie.

Am 7. Juli 1948 schrieb die traditionsreiche Automobil Revue zum ersten Mal über den Porsche, den die Presse im Vorfeld des Grand Prix von Bremgarten erstmals probefahren durfte. Blank, seines Zeichens Zürcher Hotelier, der schon Anschubfinanzierung für den Produktionsstart geleistet hatte, räumte im Foyer seines Hotel Platz frei für den allerersten Porsche-Schauraum überhaupt, zeigt dort den ersten Serien-Porsche vom Typ 356/2 Gmünd-Coupé und unterstütze auch den ersten Messeauftritt: Der Genfer Automobilsalon im März 1949 wurde zur Bühne für die Präsentation des Alu-Renners vor einem internationalen Publikum.

Transaxle-Renner:

Transaxle-Renner:

Mit dem Modell 924 gewann Porsche ab 1975 zahlreiche neue Kunden. Im Jahr 1978 debütierte am Genfer Automobilsalon die leistungsgesteigerte Turbo-Version mit 170 PS.

Von Senger beschaffte für Porsche unter anderem das Aluminium für die Karosserie und unter seiner Vermittlung fertigten zahlreiche Schweizer Unternehmen unter anderem Instrumente und Scheinwerfer. Bis Ende 1949 waren bereits 27 Exemplare in die Schweiz ausgeliefert. Den Import übernahm zunächst Bernhard Blank. Im Frühjahr 1949 verkaufte er sein erstes Fahrzeug an die Zürcher Segelfliegerin Jolanda Tschudi, ein Typ 356/2 Cabriolet. Die Produktion der offenen Porsche hatte für die ersten sechs Exemplare die Karosseriefirma der Gebrüder Beutler in Thun übernommen; Ernst und Fritz Beutler zogen sich danach jedoch zurück. Mit dem Umzug von Porsche nach Stuttgart erlosch der Importvertrag; mit der Ausweitung der Produktion wuchs das Geschäft dem Hotelier Blank zudem über den Kopf: Ab 1951 übernahm die AMAG Automobil- und Motoren AG die Einfuhr der Fahrzeuge und setzte gleich im ersten Jahr 78 Fahrzeuge ab. Nur 40 PS lieferte der VW-Boxermotor der ersten Porsche 356/2, aber sie mussten auch nur 716 Kilogramm beschleunigen. Die Karosserie der Coupés wurde über Holzformen aus leichtem Aluminiumblech handgedengelt. Nicht gerade ein günstiges Material, weshalb man in der Schweiz im Jahr 1948 astronomische 14.500 Franken für die ersten Coupés und zusätzliche 2.000 Franken für ein Cabriolet anlegen musste. Aber im Nachkriegseuropa war Alu leichter zu beschaffen als der knappe und für wichtigere Aufgaben benötigte Stahl. Im Fall des 356/2 wurde aus der Not eine Tugend, weil das weiche Aluminium die mässige Motorleistung kompensierte und einfacher von Hand zu bearbeiten war.

Im Rennsport kämpften Porsches Ingenieure gegen jedes überflüssige Gramm.

Rico Steinemann, Rekordfahrer von 1968 und später Porsches Rennleiter.

Leichtbau wurde zu einer der Kernkompetenzen von Porsche. Vor allem im Rennsport kämpften Porsches Ingenieure gegen jedes überflüssige Gramm. Im Jahr 1968 stellten vier Schweizer Rennfahrer mit einem abgespeckten Porsche 911 R auf dem Autodromo Nazionale Monza einen 20.000-Kilometer-Weltrekord auf. Rico Steinemann, Jo Siffert, Charles Vögele und Dieter Spörry umrundeten den Kurs 96 Stunden lang mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp über 209 km/h, nur unterbrochenen von Fahrerwechseln und Tankstopps. Beim 911 R war die Stahlaussenhaut der serienmässigen Karosserie durch GfK-Teile ersetzt worden; dazu reduzierten Aluscharniere und Plastikscheiben das Gewicht des mit einem 210 PS starken Boxer-Sechszylinders ausgestatteten Renners. Mit 850 Kilogramm unterbot er das Serienmodell um rund 270 Kilogramm.

1925 setzte der Schweizer Alfred Büchi als erster einen Turbolader ein.

Auch bei der Einführung der Turbo-Technologie leistete die Schweiz ihren Beitrag. Im Jahr 1925 setzte der Schweizer Alfred Büchi als erster einen Turbolader beim Verbrennungsmotor ein. Dabei treibt der Abgasstrom eine Turbine an, die über einen Verdichter angesaugte Verbrennungsluft in die Zylinder drückt und für eine höhere Leistungsausbeute sorgt. Statt erst bei hohen und verbrauchsträchtigen Drehzahlen liegt so das maximale Drehmoment früher und über ein breites Drehzahlplateau an, was die Fahrbarkeit verbessert und die Effizienz erhöht. Bei Porsche griff man 1973 im Can-Am-Rennwagen 917/10 erstmals zum Turbo, weil selbst ein schwerer 16-Zylinder nicht für konkurrenzfähige Motorleistung sorgen konnte: Mit zwei Turbos erreichte sein 4,5 Liter grosser Zwölfzylinder bis zu 1000 PS. In der Gross-Serie bot Porsche dann ab 1974 im 930 Turbo erstmals die Aufladung an. Mit Ausnahme des 911 GT3 und seines RS-Derivats hat die Turboaufladung längst in allen Porsche-Motoren Einzug gehalten; gleich ob Boxer- oder V-Aggregat. Die Varianten Turbo und Turbo S markieren die Spitze der Elfer-Palette.

Krönung der Palette:

Krönung der Palette:

Mit dem Über-Elfer 911 GT2 mit einem 3,6-Liter-Boxermotor und 462 PS führte Porsche im Jahr 2001 die Carbon-Keramik-Bremse in die Serie ein. 963 Stück liefen vom Band.

Die aus Schweizer Sicht aber wohl wichtigste Innovation in Porsches Modellpalette dürfte der 1988 – also vor 30 Jahren – in die Gross-Serie eingeführte Allradantrieb sein. Schon im Jahr 1900 hatte Ferdinand Porsche mit dem vollelektrischen Lohner-Porsche mit Radnabenmotoren an allen vier Rädern das erste Allradauto konstruiert. Erst 1984 folgte mit dem Typ 953 wieder ein Porsche mit zuschaltbarem 4x4, der die Rallye Paris–Dakar gewann. Zwei Jahre später folgte gar ein Doppelsieg mit dem ebenfalls allradgetriebenen 959, dessen in 292 Exemplaren gebaute Serienversion als Über-Sportwagen der 1980er-Jahre gilt. Es dauerte noch weitere zwei Jahre, bis mit dem 911 Carrera 4 der erste Serien-Porsche mit 4x4 erschien. Per Planetengetriebe wurde das Drehmoment in festem Verhältnis von 31 zu 69 Prozent auf Vorder- und Hinterachse verteilt. Im Jahr 1994 folgte dann ein variabler Allrad, bei dem eine Visco-Kupplung die Vorderachse nur bedarfsweise und je nach Reifenhaftung für den Vortrieb nutzte. Den nächsten Entwicklungsschritt brachte der Cayenne im Jahr 2002, bei dem im Porsche Traction Management nicht nur Haftung, sondern auch Geschwindigkeit, Lenkwinkel und Beschleunigung in die Berechnung der Antriebskraftverteilung per hydraulischer Kupplung einbezogen wurden.

Schon 1900 hatte Porsche mit dem Lohner-Porsche das erste Allradauto konstruiert.

Mit Ausnahme der 718-Reihe bietet Porsche heute in allen Modellreihen den Allradantrieb an. Kein Wunder, dass der Schweizer Anteil allradgetriebener Porsche unter den Neuwagen im Jahr 2017 bei rund 80 Prozent lag. Steigende Kundenerwartungen, die leidenschaftliche Suche nach der noch besseren Lösung und der harte Wettbewerb im Motorsport motivierten Porsches Entwicklungsabteilung, sich nie mit dem Erreichten zufrieden zu geben. Innovationen wie Leichtbau, Turboaufladung und der die Traktion optimierende Allradantrieb wurden schon vor Jahren und Jahrzehnten bei Porsche entwickelt, erprobt und in die Serie eingeführt und gehören heute längst zur Porsche-DNA. Auch und insbesondere für die kommenden Modellgenerationen. Selbst nach 70 Jahren ist Porsche der Erfindergeist noch lange nicht vergangen. Ganz im Gegenteil.

Andreas Faust
Andreas Faust
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